«Top Gun» ist Mittelmass. Zu dünn die Story, zu eindimensional die Figuren, zu chaotisch die Luftkämpfe. Und doch wurde der Film zum Kassenschlager. «Top Gun: Maverick» ist gerade dabei, diesen Erfolg zu überflügeln. Zurecht: Die Fortsetzung ist durchs Band besser als das Original.
Am Anfang ist viel Nostalgie. Ein Flugzeugträger bei Sonnenuntergang, Rauch und Kampfjets. Dazu «Highway to the Danger Zone» vom (längst vergessenen) Kenny Loggins. Das haben wir alles schon 1986 gesehen. Und die Anspielungen an den Vorgänger hören mit dem Vorspann nicht auf.
Im Prinzip erzählt «Top Gun: Maverick» dieselbe Geschichte wie drei Dekaden zuvor. Eine Truppe junger, übermotivierter Kampfjetpiloten bereitet sich auf eine Luftschlacht vor. Tom Cruise mimt erneut Pete ‹Maverick› Mitchell, der nun nicht mehr aufmüpfiger Pilotenschüler, sondern widerspenstiger Lehrer ist. Und Gegner sind nicht die Russen, sondern ein unbenannter Feind. Sonst bleibt fast alles beim Alten.
Wegen der starken Parallelen zum Original spricht man in der Filmwelt von einem Requel: Eine Mischung aus Neuauflage (Remake) und Fortsetzung (Sequel). Meisterwerke sind nach dieser Formel bisher nicht entstanden.
Story fehlt es an Substanz
Auch «Top Gun: Maverick» schafft das nicht. Nach wie vor ist die Charakterentwicklung dürftig. Die Geschichte um Bradley ‹Rooster› Bradshaw (Miles Teller) gefällt zwar, wurde aber bereits zigmal auf der Leinwand gezeigt. Sie ist ein Klischee. Die Beziehung zwischen Maverick und Penny Benjamin (Jennifer Connelly) will hingegen überhaupt nicht zünden. Und wieso die Filmemacher Ed Harris an Bord geholt haben, erschliesst sich mir nicht. Seine – extrem eindimensionale – Figur ist schlicht unnötig.
Schön hingegen, dass Val Kilmer in der Rolle als Tom ‹Iceman› Kazansky zurückkehrt. Regisseur Joseph Kosinski und seine Drehbuchautoren geben dem Schauspieler, der nach einer Krebserkrankung seine Stimme praktisch verloren hat, noch einmal die grosse Bühne. Zyniker sehen hier Fanservice, ich einen Funken Menschlichkeit.
Die Stärke liegt jedoch klar in der Action. Wie 1986 war erneut die US-Navy stark in das Projekt involviert. Die Filmemacher mussten das Drehbuch vorlegen, bekamen im Gegenzug Zugang zu Kampfjets, Flugzeugträgern und Militärstützpunkten. Manche mögen so was als Propaganda abstempeln, doch zumindest garantiert das Engagement der Marine realistische Flugsequenzen – wenn man davon absieht, dass ein fast 60-jähriger Maverick den jungen Spitzenpiloten um die Ohren fliegt.
Tom Cruise ist bekannt dafür, dass er bei seinen Filmproduktionen mitbestimmt und Greenscreens so weit wie möglich vermeiden will. Heisst: Was auf der Leinwand geschieht, wurde auch gedreht. Darum mussten die Schauspieler ein dreimonatiges Flugtraining absolvieren und ihre eigene Toleranz für G-Kräfte steigern. Gedreht wurde in echten F/A-18 Super Hornets mit erfahrenen Piloten am Steuer. Wenn Miles Teller aus dem Cockpit schweissgebadet und mit feuerrotem Kopf in die Kamera blickt, ist nichts gespielt.
Action für die Grossleinwand
Drei Dekaden an Fortschritt bei der Kameratechnik ermöglichten dem Filmemacher zudem, die Jets besser denn je einzufangen. Dadurch sind die Luftaufnahmen von «Top Gun: Maverick» nicht nur imposanter anzusehen, sondern auch nachvollziehbarer orchestriert. Aller Technik zum Trotz steckt viel Arbeit dahinter: 15 Monate dauerten allein die Vorbereitungen auf die Flugszenen.
Das Resultat sind die wohl intensivsten Flugkämpfe der Filmgeschichte. Die Sequenzen sind nicht nur für die Schauspieler, sondern auch für den Zuschauer nervenaufreibend. Mit jedem weiteren Zehntel auf dem G-Messer steigt der Puls im Kinosaal. Ein Spektakel, das für die Grossleinwand geschaffen wurde.
«Top Gun: Maverick» ist nicht der Geniestreich, zu dem er aktuell hochgejubelt wird. Immer noch ist die Story dünn, immer noch ist der Film mit Pathos überladen. Überwältigende Action macht diese Defizite aber mehrheitlich wett.