Roter Himmel (2023)

Den Schlüssel liefert Filmemacher Christian Petzold gleich zu Beginn. Mit dem Auto stimme etwas nicht, sagt Felix (Langston Uibel) hinter dem Lenkrad. «Ich höre nichts», antwortet Beifahrer Leon (Thomas Schubert) genervt. Im nächsten Moment steht der Mercedes-Kleinwagen am Wegrand. Der Motor raucht. «Roter Himmel» erzählt von einem Menschen, der noch lernen muss zu leben.

Die beiden Mitzwanziger sind auf dem Weg zu einem Ferienhaus im Wald. Neo-Schriftsteller Leon will dort an seinem Manuskript arbeiten, Felix seine Foto-Mappe für die Uni zusammenstellen. Angekommen stellen die beiden Kollegen fest, dass das Haus bereits bewohnt wird. Doppelbuchung. Die neue Mitbewohnerin Nadja (Paula Beer) ist unkompliziert, doch Miesepeter Leon bleibt auf Distanz.

«Roter Himmel» ist ein präzise ausgearbeitetes Porträt eines Einzelgängers. Leon hatte mit seinem ersten Buch einen Achtungserfolg und versucht nun krampfhaft, diesen zu wiederholen. In seiner Selbstsucht nimmt er sein Umfeld kaum wahr. Er wandert mit Scheuklappen, Ignoranz und Vorurteilen durch die Welt. Den Blick aufs Wesentliche hat er längst verloren.

Verschieden: Leon (Thomas Schubert) und Nadja (Paula Beer)

Petzold hatte sich selbst als junger Filmemacher im Kopf, als er Leon geschrieben hat. Herausgekommen ist eine unsympathische, aber nie überzeichnete Figur. Schauspieler Schubert spielt die Rolle mit viel Charakter und Körpereinsatz und macht so manches Verhalten verzeihbar. «Roter Himmel» ist dadurch teils überraschend leichtfüssig.

Die Augen verschlossen

Nadja hingegen ist weltoffen und lebensfroh. Mit ihrer angenehmen, liebenswerten Art ist sie Leons Gegenpol. Sie erdet ihn und sorgt in der Geschichte für den nötigen Kontrast. Schauspielerin Beer transportiert die wundervolle Art ihrer Figur von der Leinwand direkt in die Herzen der Zuschauer. Kein Kitsch, sondern Aufrichtigkeit.

Anders als viele Sommerfilme spielt das Drama auch in der Natur. Waldbrände machen die Gegend um das Haus zur Gefahrenzone. Der 63-jährige Petzold sprach in Interviews vom Klimawandel, der Sommererinnerungen von jungen Generationen negativ präge. Gleichzeitig sind die Brände stellvertretend für Leons Ignoranz: würde er die Augen öffnen, sähe er die Realität.

Trailer zu «Roter Himmel»

«Roter Himmel» ist wunderschön in Szene gesetzt. Petzold arbeitet mit ruhigen Bildern und natürlichen Dialogen. Das macht den Film zugänglich und glaubwürdig. Musik kommt spärlich zum Einsatz. Wenn, dann aber mit grösstmöglichem Effekt. Das sehnsüchtige «In my Mind» von Wallners trifft die Tonalität des Films perfekt.

Nach «Undine» ist «Roter Himmel» der zweite Teil einer lose zusammenhängenden Trilogie. Ein Kinobesuch lohnt sich auch ohne Vorkenntnisse, denn so viel Verständnis fürs Menschsein ist auf der Grossleinwand rar. Petzold hat einen der besten Filme des Jahres abgeliefert.

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