Extrapolations (2023)

Weltuntergang gehört zum Kino: Zombies, Aliens oder Asteroide haben die Erde bereits ausgelöscht. Untergangsstimmung auch bei der neuen TV-Serie «Extrapolations». Die nimmt sich aber einer realen Bedrohung an: dem Klimawandel. Eine bedrückende, hochrealistische Zukunftsvision.

Auftakt 2037: Israel und Palästina leben friedlich zusammen, sonst hat sich die Welt zum Schlechteren verändert. Gletscher schmelzen in Rekordtempo, Grossstädte kämpfen mit Hochwasser, Waldbrände verpesten die Luft. Es ist ein erster Blick in unser künftiges Leben mit der Klimakrise. Jede der acht Episoden macht einen Schritt weiter in die Zukunft, Schlusspunkt ist 2070.

Science-Fiction steht auf der Verpackung, doch Showrunner Scott Z. Burns stützt sich bei seiner Geschichte mehr auf Wissenschaft als Fiktion. Dafür ist er bekannt. Der von ihm geschriebene Pandemiethriller «Contagion» (2011) stellte sich ein knappes Jahrzehnt nach Veröffentlichung als Blaupause für den Umgang mit dem Coronavirus heraus. Ein Realismus, der rückblickend schockiert.

Wie weiter, Marion Cotillard?

Diesen Ansatz verfolgt auch «Extrapolations». Die Szenarien der Serie beruhen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und finden sich in den Berichten des Weltklimarats wieder: extreme Hitze, unbewohnbare Metropolen, Klimaflüchtlinge und stark übersäuerte Meere. Experten warnen schon lange davon. Einblicke hinter die Kulissen der Weltklimakonferenz und Klimastreiks sorgen für zusätzlichen Realismus.

Neuer Blick in die Zukunft

Je weiter die Serie in die Zukunft schreitet, desto interessanter wird sie. Burns gibt einen Einblick in eine Welt, die das Ziel des Pariser Klimaabkommens (1,5-Grad-Ziel) nicht erreichen konnte. Anders als die bekannten Klima-Blockbuster «The Day After Tomorrow» oder «Geostorm» verzichtet «Extrapolations» auf Spektakel. Im Fokus stehen Figuren und ihr Leben mit der Klimakatastrophe. Das ist oft niederschmetternd und nicht selten berührend.

Verglichen mit der umstrittenen Klima-Satire «Don’t Look Up» hat «Extrapolations» Graustufen. Zwar tritt ebenfalls ein Tech-Milliardär als weisser Ritter auf, doch die Ursache der Krise wird nicht simplifiziert. Burns schiebt die Schuld nicht einfach einer gierigen Elite oder einer politischen Gruppierung zu, sondern zeigt ebenfalls – und vollkommen wertfrei – das Versagen des Einzelnen.

Stark: Trailer zu «Extrapolations»

«Extrapolations» schafft es, wissenschaftliche und hochkomplexe Klimamodelle einfach aufzuzeigen, ohne dabei belehrend zu wirken. Das ist in der Film- und TV-Welt bisher einmalig. Für Spannung sorgt bei jeder Folge eine simple Frage: Wie sieht unsere Welt, die Heimat von neun Milliarden Menschen, in ein paar Jahren aus? Weitere Besonderheit ist die Besetzung: mit Marion Cotillard, Sienna Miller, Tobey Maguire, Daveed Diggs, Diane Lane und Forest Whitaker trumpft die Serie mit einem aussergewöhnlich hochkarätigen Cast auf.

Anders als bei «Contagion» schafft es Showrunner Burns auch, dem Zuschauer die Figuren näherzubringen. Die Serie ist gewiss keine Charakterstudie, zeigt aber die Entwicklung und Gefühlswelt ihrer Protagonisten über eine weite Zeitspanne mit genügend Detailliebe auf.

Die ersten drei Folgen – auf welche sich dieses Review bezieht – sind bereits auf Apple TV+ verfügbar. Jeweils am Freitag kommt eine weitere dazu. Wer wegen des Publikumslieblings «Ted Lasso» bereits ein Abo hat, sollte unbedingt reinschauen. Allen anderen empfehle ich ein Probeabo. So realistisch und bedrohlich wie «Extrapolations» ist Science-Fiction nur selten.