Die Theorie von Allem (2023)

Ein verschneites Berghotel, eine allwissende Frau, alte Männer mit dunkler Vergangenheit und ein Filmheld, der die Verschwörung nicht sehen kann. «Die Theorie von Allem» tischt typische Zutaten für einen Film Noir auf. Angereichert mit einer Prise Science-Fiction und Philosophie erschafft der junge Filmemacher Timm Kröger ein mehrschichtiges Werk, das den Zuschauer zuweilen überfordert, aber nie langweilt.

Für einen Kongress treffen sich Anfang der 60er Jahre eine Gruppe Physiker in den Schweizer Bergen. Unter ihnen der junge Wissenschaftler Johannes Leinert (Jan Bülow), der an seiner Doktorarbeit mit dem bahnbrechenden Titel «Die Theorie von Allem» arbeitet. Allerdings funktioniert der Denkansatz bisher nicht. Sein Doktorvater Julius Strathen (Hanns Zischler), ein gestandener Wissenschaftler und nüchterner Denker, hält von den wilden Ideen des jungen Mannes wenig.

Der mit Spannung erwartete Höhepunkt des Kongresses fällt vorerst aus. Der Stargast, ein iranischer Quantenphysiker, verspätet sich. Und so müssen die mehrheitlich älteren Akademiker die Zeit mit Cocktailabenden und Skifahren überbrücken. Je länger sich die Wartezeit hinzieht, desto mehr Ungereimtheiten finden ihren Weg an die Oberfläche.

Die Theorie von allem: Johannes Leinert (Jan Bülow)
Versteht die Welt nicht mehr: Johannes Leinert (Jan Bülow)

Da wäre die eine ungewöhnliche Wolkenformation, die sich über den Bergen bildet. Oder die schöne Klavierspielerin Karin Hönig (Olivia Ross), die viel über Leinert zu wissen scheint und trotz gegenseitiger Anziehung plötzlich verschwindet. Als dann noch ein Physiker tot aufgefunden wird, ist die Verschwörung perfekt. Die Hauptfigur ist – genauso wie der Zuschauer – vollkommen ratlos.

Trügerische Vergangenheit

«Die Theorie von Allem» spielt mit einer Reihe von Themen und Ideen. Auf den ersten Blick fällt der Bezug auf den Zweiten Weltkrieg auf: So mancher Physiker hat die Nazi-Vergangenheit nicht aufgearbeitet. Auch das Schweizer Réduit, ein System verschachtelter Bunkeranlagen in den Bergen, wird klug in die Erzählung eingeflochten.

Neben Geschichtsreflexion blickt Kröger, der das Drehbuch zusammen mit Roderick Warich geschrieben hat, nach innen. Leinert ist kein wissenschaftliches Übergenie, das uns die Welt erklärt. Sondern ein zunehmend verwirrter Mann, der die Grenzen seines Vorstellungsvermögens erreicht hat. Kann er seinen Erinnerungen trauen? Malt sein Verstand die Vergangenheit schön?

Der Film verbindet organisch verschiedene Ideen und Genres. Ungeniert zitiert der Filmemacher aus der Kino- und Kunstgeschichte. Neben Noir-Klassikern von Hitchcock und Welles, der schrägen Mystik von Lynch, der Literatur von Thomas Mann, besinnt sich Kröger selbst auf das italienische Kino der 70er-Jahre. Gleichzeitig erzählt er eine fein ausgearbeitete Aussenseitergeschichte – verpackt in eine weltumspannende Erzählung übers Multiversum.

Verschwörung in den Bergen: Trailer zu «Die Theorie von Allem»

Typisch für einen Film Noir ist «Die Theorie von Allem» in schnörkellosem Schwarzweiss gefilmt. Damit verbeugt sich Kröger nicht nur vor seinen Vorbildern, sondern erschafft eine dichte, unbequeme Atmosphäre. Verschneite Berge in Schwarzweiss sind mystischer und nun mal bedrohlicher als in Farbe.

In rund zwei Stunden Laufzeit kann der Film nicht all seinen Ideen auf den Grund gehen. Er ist weder eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Wissenschaft zur Nazi-Zeit, noch eine emotionale, vielschichtige Liebesgeschichte. Auch wenn Bülow und Ross gut harmonieren.

«Die Theorie von Allem» möchte Verwirrung stiften. Uns unterhalten, rätseln und mitfiebern lassen. Wie es früher «Vertigo» und «Der dritte Mann» getan haben. Krögers Werk kann mit diesen Meilensteinen nicht ganz mithalten, dafür ist «Die Theorie von Allem» zu verschachtelt. Aber vielleicht braucht es einfach mehrere Durchgänge. Ich habe meine Kinokarten bereits reserviert.

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