Steven Spielberg blickt zurück: «Die Fabelmans» ist das bisher persönlichste Werk des Regie-Altmeisters. Eine Liebeserklärung ans Filmemachen, aber auch ein herzlicher Dankesbrief an seine Eltern. Etwas mehr Profil hätte der Geschichte aber gutgetan.
Im Zentrum stehen die Fabelmans: eine sechsköpfige jüdische Familie, die in den 60er-Jahren in Arizona lebt. Früh entwickelt der Sohnemann Sammy (Mateo Zoryan) eine Leidenschaft fürs Filmemachen. Während Mutter Mitzi (Michelle Williams) ihren Buben unterstützt, sieht Vater Burt (Paul Dano) die Filmerei nur als Hobby.
Spielberg hat das Drehbuch mit seinem langjährigen Kollaborationspartner Tony Kushner geschrieben. Die beiden halten sich dabei recht nahe an die Realität. Viele Momente in «Die Fabelmans» sind, trotz anderer Namen, direkt dem Leben der Familie Spielberg entsprungen. Manches davon wurde bereits in Filmen und Büchern dokumentiert.
Der legendäre Filmemacher blickt auf eine behütete Kindheit zurück, selbst wenn sich die Eltern später scheiden liessen. Wie stark Mutter und Vater auf seine künstlerische Entwicklung Einfluss hatten, zeigt er mit «Die Fabelmans» gut auf.
Pianistin Mitzi unterstützt ihren Sohn bei der Entfaltung seiner Kreativität, Ingenieur Burt erklärt ihm die faszinierende Welt der Wissenschaft. Beide Pole finden sich in unzähligen Spielberg-Filmen, man denke nur an «E.T.» oder «Jurassic Park».
Freude am Filmemachen
Neben der persönlichen Seite ist «Die Fabelmans» eine Ode ans Filmemachen. Der kleine Sammy findet im Lichtspielhaus Inspiration und entwickelt daraus seine eigenen Ideen. Spielberg fängt diese Zeit der schier grenzenlosen Kreativität perfekt ein. Und überträgt den Funken direkt auf den Zuschauer: Man möchte in die Tasche greifen, das Smartphone in die Hand nehmen und selbst Filmkunst erschaffen.
Trotz Spielzeit von 2,5 Stunden ist «Die Fabelmans» ein äusserst sauber durchgetaktetes, kurzweiliges Kinoerlebnis. Spielberg beherrscht sein Handwerk nach wie vor. Allerdings verfällt er seiner Marotte, düstere Elemente nur anzuschneiden. Auf die Trennung seiner Eltern geht er zwar detailliert ein, Aussenseitertum und Antisemitismus streift er hingegen nur. Beide Themen hätten mehr Raum verdient und dem Film zusätzliche Kraft verliehen.
Und doch ist «Die Fabelmans» ein wunderbares Filmerlebnis, was Spielberg nicht zuletzt seiner Crew verdankt. Paul Dano und Michelle Williams spielen beide nuanciert wie leidenschaftlich; berührend, aber nie sentimental. Zudem beflügelt der langjährige Spielberg-Kollaborateur John Williams den Film mit einem warmen, perfekt orchestrierten Score.
Regelmässige Kinogänger dürfen sich bei «Die Fabelmans» zudem an vielen Filmreferenzen erfreuen. Ob Soundtracks von Klassikern wie «The Greatest Show on Earth» und «Die glorreichen Sieben» oder die Bezüge zu Spielbergs Karriere: Für Cineasten ist das neueste Werk des Grossmeisters eine vielseitige Wundertüte.
«Die Fabelmans» ist ein persönliches Werk einer alternden Filmlegende, das nicht nur Kinofans abholen dürfte. Über die fehlende Kontur lässt sich hinwegsehen, denn Spielberg kompensiert sie mit warmer, aufrichtiger Herzlichkeit. Und schon wieder kommt er damit davon.