After Yang (2022)

Ruhig, schön und einfühlsam: «After Yang» ist unaufgeregtes Science-Fiction-Kino. Statt Schweiss und Blut gibt es Heissgetränke, statt mit unterschiedlichen Universen fordert der Film den Zuschauer mit existenziellen Fragen.

In nicht allzu weit entfernter Zukunft lebt Teehändler Jake (Colin Farrell) gemeinsam mit seiner Frau Kyra (Jodie Turner-Smith) und Adoptivtochter Mika (Malea Emma Tjandrawidjaja) in einem grosszügigen Designerhaus. Damit der Nachwuchs seine Herkunft kennenlernt, hat Vater Jake den menschlichen, chinesischen Androiden Yang (Justin H. Min) gekauft. Es entsteht eine tiefe Freundschaft.

Doch eine Fehlfunktion reisst den vierten Kopf der Familie plötzlich aus dem Leben. Jake versucht fortan, den Androiden wieder zurückzuholen. Dabei taucht er immer tiefer in Yangs Vergangenheit ein.

Gibt nicht auf: Jake (Colin Farrell)

«After Yang» handelt von tiefer Trauer. Filmemacher Kogonada, der mit seinem zweiten Spielfilm eine Kurzgeschichte des Mathematikers Alexander Weinstein auf die Leinwand bringt, zeigt dabei einen naiven Ansatz. Mit seiner ganzen Energie versucht Hauptfigur Jake den Androiden zurückzuholen – wie ein Kind, das sich sein verstorbenes Haustier zurückwünscht. Obwohl er weiss, dass seine Chancen bei null stehen.

«After Yang» stellt grosse Fragen

Dabei stellt der Film grosse, existenzielle Fragen. Was macht es aus Mensch zu sein? Ist künstliches Leben auch wertvoll? Und wann ist ein Leben erfüllt? Es sind die Fragen, die vor vierzig Jahren bereits der Androiden-Klassiker «Blade Runner» gestellt hat. Auch vier Dekaden später muss der Zuschauer die Antworten darauf in sich selbst finden.

Obwohl die Ausgangslage wie eine Folge «Black Mirror» klingt, ist «After Yang» mit seiner ruhigen Inszenierung ein leicht melancholisches, aber fast meditatives Erlebnis. Die Dialoge sind sanft, die Bilder häufig in angenehmem Grünton und mit weichen, symmetrischen Linien. Passend dazu der zurückhaltende Score mit ruhigem Piano und sanften Streichern. Science-Fiction, ein Genre voller Wunder und Spektakel, ist hier vollkommen geerdet.

Der Inhalt von «After Yang» liesse sich in ein paar Sätzen zusammenfassen. Doch der Film wird nicht angetrieben von seiner Story, sondern durch alles Menschliche dazwischen. Immer wieder blendet Kogonada zurück und macht den Androiden so greifbarer. Nicht nur wird damit dessen Bedeutung für die Familie ergründet, auch tauchen wir so immer tiefer in die Gedankenwelt des menschenähnlichen Roboters ein.

Colin Farrell, der einzige grosse Name in diesem Werk, zeigt sich passend zum Film von seiner ruhigen Seite. Sein Schauspiel ist dennoch äusserst facettenreich: Ob mit sanfter Stimme oder durch ein nüchternes Lächeln: Farrell macht die distanzierte Hauptfigur überraschend nahbar und beweist damit erneut, dass er Blockbuster- wie Independent-Kino genauso gut beherrscht.

«After Yang» ist gewiss nicht für jedermann. Wer sich aber auf diese Indie-Perle einlässt, wird mit einem wunderbar gefühlvollen Science-Fiction-Kino belohnt. Eine Schande, ist der Film in der Schweiz bisher nur als Import verfügbar.

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