Pessimistisch ist «Women Talking» nie, aller Hoffnungslosigkeit zum Trotz. Vielmehr hat Regisseurin Sarah Polley einen Film erschaffen, der die Kraft der Selbstbestimmung und der Gemeinschaft zelebriert. Ein wichtiges Werk, das in der Schweiz eine breite Veröffentlichung verdient hätte.
Bei «Women Talking», im deutschsprachigen Raum auch als «Die Aussprache» bekannt, ist der Name Programm: Frauen einer abgeschiedenen, tief religiösen Kolonie diskutieren über ihre Zukunft. Fliehen oder bleiben? Gleiche Rechte wie die Männer fordern?
Polleys Werk basiert auf dem gleichnamigen Roman von Autorin Miriam Toews, die sich wiederum von Geschehnissen einer mennonitischen Kolonie in Bolivien inspirieren liess. Auf jeden Fall ist «Women Talking» harter Filmstoff.
Vergewaltigung mit Gottes Segen. Erzwungene Vergebungen. Ausschluss von Bildung. Wenn die Frauen ihre Erlebnisse schildern, bricht dem Zuschauer das Herz. Die Regisseurin verzichtet dabei auf explizite Darstellung. Worte reichen völlig aus.
Für ein breites Publikum zugänglich
Nun sitzen die Frauen in einer Scheune und diskutieren über ihre Zukunft. Für Aussenstehende mag der Fall klar sein, doch für die Betroffenen ist die Entscheidung schwierig: Sie kennen weder die Aussenwelt noch verfügen sie über das nötige Wissen, um in einer offenen Gesellschaft klarzukommen. Dazu die Religion, die wichtiger Teil ihrer Identität ist. Würde Gott eine Flucht aus der Kolonie verzeihen?
Filmemacherin Polley hat ein packendes Kammerspiel erschaffen. Der Film dürfte auch ein breites Publikum ansprechen, obwohl er sich grossmehrheitlich an einem Ort abspielt. Das liegt einerseits an ausgefeilten Dialogen, andererseits an einem hervorragenden Cast.
Mit Rooney Mara, Claire Foy, Jessie Buckley, Ben Whishaw und Frances McDormand kann Polley gleich auf mehrere Branchengrössen zurückgreifen. Sie tragen den Film gemeinsam. Niemand stellt sich in den Vordergrund, nicht mal die Filmemacherin. «Women Talking» ist eindeutig als Werk einer Zusammenarbeit zu erkennen.
In seiner Tonalität und Perspektive unterscheidet sich der Film von ähnlichen Erzählungen. Denn aller Grausamkeiten zum Trotz ist «Women Talking» optimistisch. Ein Film über einen Wendepunkt, einer Hoffnung nach einer besseren Zukunft. Von Stärke, die nicht individuell, sondern gemeinsam erreicht werden kann. Und ohne jeglichen Zynismus. Stattdessen ist es eine tiefe Menschlichkeit, die die Geschichte vorantreibt. Schade nur, dass Polley dabei nicht ganz auf Kitsch verzichten kann.
Unabhängig davon ist «Women Talking» starkes feministisches Kino. Und ein berechtigter Oscar-Kandidat. Bleibt zu hoffen, dass der Film trotz wenigen Vorstellungen hierzulande sein Publikum finden wird.