Gute Netflix-Filme sind rar geworden. Umso schöner, wenn der Streamingdienst mit «Woman of the Hour» mal wieder auftrumpfen kann. Ein Serienmörder-Thriller mit frischer Perspektive: packend und feministisch. Der Spielfilm von Anna Kendrick hätte eine Kino-Veröffentlichung verdient.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht die erfolglose Schauspielerin Cheryl Bradshaw (Kendrick), die sich widerwillig für eine Dating-Show anmeldet. Das gebe ihr Sichtbarkeit, verspricht ihre Agentin. Was niemand weiss: Einer der Kandidaten ist ein brutaler Vergewaltiger und Mörder.
Die Filmemacherin erzählt die Geschichte verschachtelt. Sie springt in der Zeit vor und zurück und zeigt immer wieder vergangene Taten des Killers. Dennoch fühlt sich der Film jederzeit organisch an. Frust kommt trotz (für einen Streamingfilm) unkonventioneller Erzählweise nie auf. Ein Kunststück, das nicht allen Regisseuren gelingt.
Der Netflix-Film unterscheidet sich durch seine Perspektive von anderen Werken des Genres. Weder liegt der Fokus auf den Ermittlern («Zodiac», «Memories of Murder», «Das Schweigen der Lämmer»), noch auf dem Serienmörder («Henry», «Maniac», «Angst»). Kendrick und Drehbuchautor Ian McDonald fokussieren sich stattdessen auf die Opfer. Sie zeigen dabei den schockierend nahtlosen Übergang von Alltagssexismus zu verbalen (und sexuellen) Übergriffen bis zum Mord.
Eine wahre Geschichte
Der Film basiert auf dem Leben des Serienmörders Rodney Alcala, der zwischen 1968 und 1979 mindestens acht Menschen getötet hat. «Woman of the Hour» hält sich dabei recht genau an die Wahrheit und ist stellenweise entsprechend brutal. Wo der Film von der Realität abweicht, liest du hier (auf Englisch).
Schauspielerisch überzeugt der Netflix-Film vor allem durch seine beiden Hauptdarsteller. Kendrick gefällt in der Rolle der cleveren Schauspielerin Bradshaw. Daniel Zovatto als intelligenter Serienmörder ebenfalls. Und Tony Hale mimt den unsympathischen Show-Host perfekt.
Ganz in die Oberliga schafft es «Woman of the Hour» jedoch nicht. Dafür sind die Figuren zu blass und die Regie zu generisch. Dennoch ist Kendricks Film einer der besten Beiträge des (zuletzt etwas in Vergessenheit geratenen) Genres der letzten Jahre. Nicht schlecht für ein Regiedebüt.