Immer mitten in die Fresse rein, hat eine deutsche Punkband einst gesungen. Der schwedische Autorenfilmer Ruben Östlund hat sich diese Worte wohl zum Mantra gemacht: Mit «Triangle of Sadness» reibt er seine Botschaft dem Zuschauer erneut unverblümt unter die Nase. Das ist oft lustig, manchmal eklig, irgendwann ermüdend und schlussendlich zynisch.
Das Influencer-Pärchen Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean Kriek) sind auf einer teuren Kreuzfahrt. Zahlen mussten sie dafür nichts, stattdessen erwartet die Reederei ein paar schöne Fotos für die Instagram-Welt. Neben den lächerlich schönen Mittzwanzigern ist noch eine Reihe reicher Passagiere an Bord. Darunter ein Tech-Unternehmer, ein russischer Oligarch und ein Waffenhändler-Ehepaar. Alles scheint perfekt, bis ein heftiger Sturm das Luxus-Schiff in Chaos versetzt.
«Triangle of Sadness» hat im Sommer die Goldene Palme von Cannes gewonnen. Bereits zum zweiten Mal konnte Östlund den wichtigen Filmpreis nach Hause nehmen. Wenig überraschend, seine sozialkritischen Werke entsprechen auch dem Zeitgeist. Themen wie gesellschaftliche Spaltung, Armut und Nachhaltigkeit stehen mittlerweile selbst beim Weltwirtschaftsforum ganz oben auf der Agenda.
«Triangle of Sadness» wird in drei Teilen erzählt. Schnell macht der Filmemacher dabei klar, was er zeigen will: Klassenunterschiede. Spätestens wenn sich die Handlung auf das Schiff verfrachtet, wird Östlund überdeutlich. Da sind die Superreichen, die im Geld schwimmen. Dann sind Carl und Yaya, die wegen ihres Aussehens ebenfalls gut leben können. Selbst die Crew ist unterteilt: Oben ist das gut gekleidete Service-Personal, unten die Putzkräfte, welche die Gäste nie zu sehen bekommen.
«Triangle of Sadness» setzt auf Schadenfreude
Östlund zielt mit seinem Film auf ein Publikum aus dem politisch eher linken Spektrum ab. Dieses darf mit grosser Freude zusehen, wie unverschämt reiche Menschen komplett demaskiert werden. Aus anfänglichem Fremdscham und Entsetzen wird später Schadenfreude. Kotze und überlaufende WC-Schüsseln inklusive. Gekrönt wird alles durch ein Wortduell zwischen dem kommunistischen Kapitän Thomas Smith (Woody Harrelson) und dem kapitalistischen Oligarchen Dimitri (Zlatko Burić).
Der Filmemacher hat für seine (reichen) Protagonisten wenig übrig. Hier liegt das Problem von «Triangle of Sadness»: Unsympathische Figuren bleiben über die ganze Spielzeit unsympathisch. Für eine vertiefte Analyse reicht dieses simple Muster nicht. Wichtige Themen wie (Chancen-)Gleichheit, patriarchalische Strukturen oder Greenwashing werden zwar angesprochen oder angedeutet, aber nie thematisiert. Östlund bestätigt damit einzig Vorurteile seines Publikums.
Wenn das Chaos perfekt ist, erhält der Film einen zynischen Anstrich. Östlund stützt sich im dritten Teil auf das Mantra derjenigen, über die er sich zuvor zwei Stunden lang ausgelassen hat. Die Menschen ticken in «Triangle of Sadness» schlussendlich gleich, ob Oligarch oder Putzkraft. Befehlen können diejenigen, die Macht haben. Der Filmemacher spannt damit zwar einen schönen Bogen zum Anfang, versucht aber nicht, das Verhalten zu ergründen.
Aller Kritik zum Trotz ist der Cannes-Gewinner sehenswertes Kino. Der Film überrascht mit teils derbem Humor, der in US-Produktionen heute kaum noch existiert. Kameramann Fredrik Wenzel fängt starke, charaktervolle Bilder ein. Er gibt dem Film einen plastischen Anstrich und macht «Triangle of Sadness» visuell klar als Satire zu erkennen. Ebenfalls überzeugt das durchs Band gute Schauspiel, ob von Newcomer oder Branchengrössen.
Neben fehlendem Tiefgang leidet Östlunds Film unter einer zu langen Spielzeit, was vor allem gegen Schluss überdeutlich wird. Mehr Tempo hätte «Triangle of Sadness» ohnehin gutgetan, liesse sich doch seine Botschaft in einem kurzen Instagram-Post zusammenfassen.