Ridley Scott hat mit «Gladiator» längst bewiesen, dass er historisches Action-Kino beherrscht wie kaum ein Filmemacher seiner Generation. Action gibt es auch in «The Last Duel», aber nur als Beilage. Im Grundsatz ist die Geschichte ein MeToo-Drama, das trotz mittelalterlicher Kulisse hochaktuell ist.
Im Frankreich des 14. Jahrhunderts duellieren sich Ritter Jean de Carrouges (Matt Damon) und Gutsherr Jacques Le Gris (Adam Driver). Aussergewöhnlich ist der Grund: de Carrouges Frau Marguerite (Jodie Comer) wirft Le Gris vor, sie vergewaltigt zu haben.
«The Last Duel» präsentiert die Geschehnisse vor dem Duell aus drei Perspektiven. Erst aus der Sicht von de Carrouges, dann von Le Gris und schlussendlich von Marguerite. Ein Konzept, das nicht ganz neu ist, aber auch in diesem Fall gut funktioniert. Der Regisseur treibt die Geschichte ohne Durchhänger voran, obwohl sie sich ständig wiederholt.
Scott zeigt schön, wie sich die Wahrnehmung seiner Protagonisten unterscheidet. De Carrouges sieht sich auf dem Feld als Held und daheim als fürsorglicher Mann. Dass das so nicht zutrifft, zeigen dann die beiden anderen Perspektiven.
«The Last Duel» mit unterschiedlichen Perspektiven
Manche Szenen scheinen identisch, je nach Sichtweise ändern sich aber kleine Details. Ein schönes Beispiel ist der Kuss zwischen Le Gris und Marguerite. Ritter de Carrouges sieht ein simples Zeichen der Freundschaft, Le Gris ein Funken der Leidenschaft und Marguerite eine erste Aufdringlichkeit. Der Zuschauer erhält immer mehr Puzzleteile, sodass schlussendlich ein klares Bild entsteht.
Der Filmemacher bezieht klar Position. Scott, der in den 90er-Jahren mit «Thelma & Louise» zwei feministische Filmikonen geschaffen hat, bezeichnet Marguerites Kapitel schlicht als «die Wahrheit». Subtil ist anders. Dafür gibt er dem Thema das nötige Gewicht.
Der Film basiert auf einem historischen Ereignis, ist aber wegen Unsicherheiten fiktionalisiert. Der Grundtenor stimmt: Es gab Vergewaltigungsvorwürfe und ein Duell. Über Marguerite de Carrouges ist allerdings wenig bekannt, weshalb grosse Teile ihres Charakters für die Story entwickelt wurden.
Im Grundsatz sind die Gegebenheiten korrekt. «The Last Duel» macht – auch mit ein paar Klischees – deutlich, wie schlecht die Position der Frau im Mittelalter war. Gleichzeitig sind die Parallelen zur heutigen Zeit offensichtlich. Die barbarischen Vorwürfe, mit denen Marguerite konfrontiert wird, müssen sich Vergewaltigungsopfer noch heute anhören.
Gleich drei Schreiber haben sich der Buchvorlage von Mittelalter–Experte Eric Jager angenommen: Matt Damon, Ben Affleck (der eine Nebenrolle spielt) und Nicole Holofcener. Auch wenn ihr Drehbuch funktioniert: manche Dialoge wirken unpassend. Mag sein, dass neuzeitliche Ausdrücke den Punkt des Films unterstreichen – die Authentizität leidet trotzdem.
Visuell ist «The Last Duel» klar als Scotts Arbeit zu erkennen. Die Action ist rasant, spannend und blutig, ohne aber den Zuschauer zu überfordern. Leider ist der Rest oft effizient und unspektakulär nach Schema F gefilmt. Hier wäre mehr Mut schön gewesen. Dieses technische Mittelmass können auch ein authentisches Kostümdesign und starke schauspielerische Leistungen nicht kaschieren. Schlimm ist das nicht. Schlussendlich ist es die Geschichte, die «The Last Duel» so sehenswert macht.