Wenn die Hauptfiguren ungeniert wie Hunde bellen, sind alle gesellschaftlichen Normen überwunden. «The Hypnosis» spielt leichtfüssig mit tief verwurzelten Geschlechterrollen, elterlichen Ansprüchen und der Frage, warum wir nicht öfter uns selbst sind. Eine freche Gesellschaftssatire, die aber manchmal zu weit geht.
André (Herbert Nordrum) und Vera (Asta Kamma August) sind ein junges Unternehmerpaar, das eine Gesundheitsapp für Frauen entwickelt hat. Gleichberechtigt sind die beiden nicht. André sieht sich als Vordenker und Kopf der Firma. Das ist natürlich absurd, richtet sich die Smartphone-Anwendung ja ausschliesslich an Frauen.
Vera ist Raucherin und will damit aufhören, weshalb sie eine Hypnotiseurin aufsucht. Mit Erfolg: die Glimmstängel interessieren die junge Frau plötzlich nicht mehr. Nach dem Besuch ändert sich aber auch ihr restliches Verhalten: Sie ist entspannter, lebensfroher und direkter. Bei einem Start-up-Anlass wird das für Ärger sorgen.
Der schwedische Regisseur und Co-Drehbuchautor Ernst De Geer hat mit «The Hypnosis» eine mehrschichtige Satire inszeniert. Im Zentrum steht die Dynamik zwischen beiden Hauptfiguren. André ist es gewohnt, das Sagen zu haben. Die plötzlichen Einwände seiner Partnerin überraschen ihn. Damit führt der junge Filmemacher seine männliche Hauptfigur schonungslos vor. Und sorgt für manchen lauten Lacher.
Lässiges Schulterklopfen statt nüchterne Ehrlichkeit
Gleichzeitig spielt «The Hypnosis» mit Erwartungen. Seien es die gut betuchten Eltern, die von ihren Sprösslingen Leistung und Erfolg erwarten. Oder die Geschäftswelt, wo beim oberflächlichen Netzwerken lieber nette Worte und lässiges Schulterklopfen statt nüchterne Ehrlichkeit gefragt sind. Selbst bei einem Start-up-Anlass mit dem rebellischen Titel «Shake up» ist Aufrütteln schlussendlich unerwünscht.
De Geer tauch nicht in jedes Thema richtig ein und lässt manche Fragen offen. Der Reiz liegt ohnehin anderswo: Indem der Regisseur sich auf die Beziehung zwischen André und Vera konzentriert, erschafft er nicht nur Spannungen, sondern auch Spannung. «The Hypnosis» ist zeitweise nervenaufreibend, so wie zuletzt das gefeierte Pausenhof-Drama «Das Lehrerzimmer» oder das Netflix-Vorzeigewerk «Uncut Gems».
Nur im dritten Akt geht der Filmemacher ein paar Schritte zu weit und kratzt damit an der Plausibilität seiner Erzählung. Schade. Bis zu diesem Punkt fügt sich der bissige Humor vollkommen organisch in das Geschehen auf der Leinwand ein. Das urkomische, beinahe versöhnliche Ende mit Wink Richtung Yorgos Lanthimos stimmt wieder positiv.
Dass man «The Hypnosis» ein paar Fehltritte gerne verzeiht, liegt auch an einem wunderbaren Cast. Die beiden Hauptdarsteller Nordrum und August spielen das ungleiche Paar lustvoll und mit Herzblut. Wäre es stellenweise nicht so unangenehm, man würde ihnen gerne länger zuschauen.
Der Film ist visuell präzise inszeniert, ohne Spielerei und Hang zum Melodrama. Eindeutig eine moderne, nordeuropäische Produktion. Anders als jüngst gefeierte Filmemacher wie der Norweger Kristoffer Borgli (Dream Scenario) oder der Schwede Ruben Östlund (Triangle of Sadness) verzichtet de Geer bei «The Hypnosis» beinahe komplett auf Zynismus. Eine Wohltat. Gute Satire funktioniert nämlich auch ohne.