The Eternal Daughter (2022)

Draussen dichter Nebel, drinnen gedämpftes Licht. Das altehrwürdige Landhotel ist fast ausgestorben, nur eine Mutter und ihre Tochter sitzen gemeinsam beim Abendessen. Ruhe und Ungemach liegen gleichzeitig in der Luft. Es ist eine gespenstisch-traurige Geschichte, die Autorenfilmerin Joanna Hogg mit «The Eternal Daughter» erzählt.

Im Zentrum steht Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton in einer Doppelrolle. Sie spielt Julie und deren Mutter Rosalind zugleich. Zusammen reisen die beiden Frauen in das Hotel, das früher mal eine Residenz der Familie war. Julie, eine Regisseurin, will vom Alltag abgeschottet am Film über ihre Mutter arbeiten. Doch sie kommt nicht vorwärts.

Auch sonst läuft der Aufenthalt nicht wie geplant. Julie hört nachts fürchterliche Geräusche, die sie vom Schlaf abhalten. Sie beschwert sich. Doch die junge Hotelangestellte nimmt die Sorgen der Frau mittleren Alters nicht ernst. Die Stimmung erreicht ihren Tiefpunkt, wenn Julie schmerzliche Erinnerungen ihrer Mutter abruft.

Tilda Swinton in einer Doppelrolle

«The Eternal Daughter» hat eine klare, ruhige Bildsprache. Hogg filmt meist mit dem Stativ und lässt Bilder und Schauspieler atmen. Hektik ist ihr fremd. So entsteht ab der ersten Minute eine dichte, unheimliche Atmosphäre. Meist blasse Aufnahmen und ein simpler, aber schauriger Streicher-Score übernehmen den Rest. Die Ähnlichkeit mit klassischen Gruselfilmen ist gewollt. Obwohl die Regisseurin dem Mystery-Film bisher fremd war, spielt sie meisterhaft mit genretypischen Klischees.

Aus dem Inneren geschöpft

Wie in den beiden (ebenfalls sehenswerten) Vorgängerfilmen «The Souvenir 1 & 2», die entfernt auch als Vorgeschichte dienen, schöpft Filmemacherin Hogg aus sich heraus. Sie selbst haderte lange mit dem Wunsch, einen Film über ihre Mutter zu machen. Jahrzehntelang sass die Idee in ihrem Hinterkopf. Erst nach deren Tod konnte sie sich dazu überwinden.

«The Eternal Daughter» trumpft denn auch mit einer eindrücklichen und tiefgründigen Mutter-Tochter-Beziehung auf. Hogg thematisiert Altlasten und Ehrfurcht, ohne dabei jemals in die Klischeefalle zu tappen. Trotzdem behält der Film über seine ganze Laufzeit eine Distanz zum Zuschauer. Ein bewusster Entscheid, der die gespenstische Atmosphäre untermalt.

Stimmungsvoll: Trailer zu «The Eternal Daughter»

Dass Swinton beide Hauptfiguren spielt, führt sich nahtlos in den Film ein. Die Doppelrolle ist keine Spielerei, sondern eine erzählerische Entscheidung. Nichts verdeutlicht die Bindung zwischen Mutter und Tochter so klar, wie wenn dieselbe Schauspielerin beide Figuren mimt. Mit einer anderen Frau in einer der beiden Hauptrollen hätte «The Eternal Daughter» weit weniger Kraft. Gewiss aber macht dieser künstlerische Entschluss den Film weniger zugänglich.

Zugänglichkeit stand auf der Prioritätenliste von Hogg nie ganz oben. Wie in früheren Werken auch, lässt die Britin sich mit ihrer Erzählung Zeit. So mancher Zuschauer dürfte «The Eternal Daughter» als zähflüssig erleben. Wer aber viel Handlung und den obligaten Plot-Twist verlangt (den es zwar gibt), sitzt ohnehin im falschen Film. Hier stehen Gefühl und Stimmung im Mittelpunkt. Und das funktioniert bis zum Schluss perfekt.

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