The Empty Man (2020)

Vergiss den Trailer. «The Empty Man» ist kein Horror-Streifen, sondern ein ambitionierter, düsterer MisteryThriller. Die Comic-Verfilmung von Regisseur und Drehbuchautor David Prior ist nicht fehlerfrei, überzeugt aber durch starke Bilder, dichte Atmosphäre und einem eigenwilligen Plot.

Nach einer 20-minütigen(!) Vorgeschichte beginnt «The Empty Man» mit dem Verschwinden von Amanda Quail (Sasha Frolova). Die Polizei glaubt, der Teenager sei für ein paar Tage abgehauen. Mutter Nora (Marin Ireland) will das nicht glauben und beauftragt Ex-Cop James Lasombra (James Badge Dale) mit der Suche. Dieser stellt bald fest, dass nicht nur Amanda verschwunden ist.

«The Empty Man» baut auf einer modernen Legende über einen mysteriösen, bösen Mann auf. Das kennt man üblicherweise aus Horror-Streifen wie dem miesen «Slenderman», dem ähnlich schlechten «Bye Bye Man» oder dem kultigen «Candyman». Doch Prior macht mehr aus dem Stoff. Für ihn ist der sagenumwobene Mann nur die Ausgangslage.

«The Empty Man» eröffnet mit einer 20-minütigen Vorgeschichte.

Eigentlich ist «The Empty Man» eine klassische Detektiv-Geschichte. Der Zuschauer begleitet Ermittler Lasombra auf einer Schnitzeljagd, die immer tiefer in die menschlichen Abgründe taucht. Klischees hat der Filmemacher mehrheitlich ausgelassen. Stattdessen nimmt die Geschichte immer wieder überraschende Abzweigungen.

Starkes Spielfilm-Debut

David Prior ist keine grosse Nummer in Hollywood. «The Empty Man» ist sein Spielfilm-Debut. Zuvor hat er jahrelang Making-of-Filme zu bekannten Blockbustern gedreht. Dabei durfte er unter anderem mehrere Male die Arbeit von Grossmeister David Fincher begleiten.

Den Einfluss des Kultregieseurs ist offensichtlich: Aufnahmen mit geheimnisvollem Gelb- oder Grünstich, viele Insert-Shots und treibende Elektrobeats von Ambient-Künstler Lustmord sind eindeutig von Fincher abgekupfert. So erschafft Prior eine faszinierend-bedrohliche Stimmung, die bis zum Schluss anhält. 

Höchstleistung erbringt der Filmemacher während einer nächtlichen Szene in der Filmmitte. Hier stimmt einfach alles: Bild, Ton, Schnitt und Schauspiel. Dann ist «The Empty Man» perfektes Grusel-Kino.

Noch kann sich James (James Badge Dale) mit Amanda (Sasha Frolova) austauschen.

Wie Fincher setzt auch Prior in Alltags-Situationen auf Computer-generierte Bilder, um das Profil des Films zu schärfen. Da er aber mit tieferem Budget auskommen muss, fallen die Effekte manchmal auf. Wirklich stören tut das nicht. 

«The Empty Man» ist eigenständig

Trotz allem ist Priors Arbeit keine Kopie. Seine Inszenierung ist ruhiger und unauffälliger als die seines Vorbilds. Klar hebt sich «The Empty Man» aber durch den Stoff von einem typischen Fincher-Film ab – immerhin basiert die Geschichte auf einem Comic.

Das verschleiert der Filmemacher lange. Trotz einer Saga als Grundlage, erzählt Prior über weite Teile eine glaubwürdige, wenn auch etwas überladene Geschichte. Alles ändert sich im letzten Viertel, wenn der Film ins Fantastische abtaucht. Das hatte ich zwar während der Vorgeschichte erwartet, aber in den darauffolgenden 90 Minuten wieder verdrängt.

Der Trailer lockt den Zuschauer auf eine falsche Fährte.

Mag die Story-Entwicklung Geschmacksache sein, ist Priors lässige Figurenzeichnung unbestritten. Zu oft kratzt der Filmemacher nur an der Oberfläche. Das lässt sich zwar teilweise rechtfertigen – wer die Geschichte kennt, weiss warum – aber nicht in jedem Fall. Gerade über Amanda hätte ich gerne mehr erfahren. Zumal der Film mit 137 Minuten Laufzeit doch reichlich Platz dafür gehabt hätte.

Das Schauspiel ist glaubwürdig, aber unauffällig. James Badge Dale ist kein Ben Affleck, Marin Ireland keine Rosamund Pike. Doch hoffe ich, von Sasha Frolova noch mehr sehen zu dürfen. 

«The Empty Man» ist denn auch kein Fincher-Film, selbst wenn er so daherkommt. Er spielt in derselben Liga wie der charmante «Mothman Prophezeiungen». Nicht perfekt – aber dennoch so faszinierend, dass man immer wieder zu ihm zurückkehrt.

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