Wenige Filmemacher verbinden Witz und Tragik so gekonnt wie Martin McDonagh. Anders als bei seinen früheren Werken konzentriert sich der Autorenfilmer bei «The Banshees of Inisherin» aber stärker auf das Drama. Auf trockenen, schwarzen Humor muss dennoch niemand verzichten.
1923 auf der fiktiven irischen Insel Inisherin: Colm Doherty (Brendan Gleeson) will nicht mehr der beste Freund von Pádraic Súilleabháin (Colin Farrell) sein. Er habe keine Zeit mehr für langweilige Gespräche, erklärt der alte Ire seinem jüngeren Gegenüber. Es ist der Anfang einer grossen Sinnkrise.
Achtung: ab hier gibt es einen kleinen Spoiler, der für diese Filmbesprechung nötig ist. Du kannst gerne nach dem Kinobesuch weiterlesen.
McDonagh geht mit seinem kleinen Drama ganz grosse Themen an. Colm befürchtet, nach seinem Tod in Vergessenheit zu geraten. Er komponiert auf seiner Geige zwar kleine Stücke, die man auf der Insel gerne hört. Von Mozart oder Beethoven ist er aber weit entfernt. Der gutherzige Pádraic hingegen hat sein einfaches Inselleben bisher nie hinterfragt. Er mag Tiere und im Pub schätzt man ihn. Ist das nicht genug?
Profund und kurzweilig
Die Antworten auf solch existenzielle Fragen muss jeder Zuschauer selbst finden. Wertvolle Denkanstösse liefert «The Banshees of Inisherin» genug. Spätestens wenn der Filmemacher Parallelen zwischen dem Konflikt der beiden Männer und dem Irischen Unabhängigkeitskrieg zieht, wird offensichtlich, wie fundiert sich der 52-jährige Filmemacher mit seiner Materie auseinandergesetzt hat.
Fernab profunder Themen ist «The Banshees of Inisherin» kurzweilige und aussergewöhnliche Unterhaltung. McDonagh hat in sein Drama viel trockenen, schwarzen, aber auch süssen Humor eingeflochten. Damit schafft er einen Kontrast zu seinem ernsthaften Grundstoff, ohne aber diesen abzuwerten. Im Gegenteil: vielmehr macht er seinen Film damit zugänglicher.
Dass Gleeson, Farrell und McDonagh zusammenarbeiten können, haben sie während «Brügge sehen… und sterben?» bereits bewiesen. Obwohl vierzehn Jahre seither vergangen sind, wirkt «The Banshees of Inisherin» wie ein direkter Nachfolger. Dass zwischen den beiden Hauptfiguren einst eine tiefe Bindung bestanden hat, nehme ich ihnen in jedem Moment ab. Gleeson und Farrell harmonieren stets perfekt.
Der Cast überzeugt bis weit in die Nebenrollen. Hervorzuheben ist Barry Keoghan, der mit seiner nuancierten Performance erneut beweist, dass er zu den ganz Grossen seiner Generation gehört. Ebenfalls gefällt der Score von Carter Burwell, der gekonnt den Spagat zwischen unaufdringlich und melodramatisch schafft.
«The Banshees of Inisherin» ist ein profundes Drama, das wichtige Denkanstösse liefert, ohne den Zuschauer mit der Schwere seiner Thematik zu erdrücken. Ein Film für Kopf und Herz zugleich. Ein wundervoller Auftakt für das Kinojahr 2023.