Wer seit Jahren Metal hört, den dürfte «Sound of Metal» erstmal befremden. Anders als der Titel suggeriert, ist Ruben (Riz Ahmed) kein Metal-Drummer. Was er und Gitarristin Lou (Olivia Cooke) abliefern, gehört vielmehr in die Kategorie Punk oder Noise.
Hat sich Regisseur und Drehbuchautor Darius Marder beim Filmtitel einen derart groben Schnitzer geleistet? Mitnichten. Was der Sound of Metal wirklich ist, lernt der Zuschauer erst gegen Schluss.
Der Film legt umgehend los. Nach einem Konzert verliert Drummer Ruben sein Gehör. Ein Arztbesuch gibt wenig Hoffnung. Was noch da ist, verschwindet. Der Musiker wird taub.
Hilfe findet er in einer Kommune, die von tauben Menschen geleitet wird. Ruben soll dort nicht nur die Zeichensprache lernen, sondern auch die Akzeptanz, dass ein Leben als Gehörloser lebenswert ist. Für den Musiker eine besonders grosse Herausforderung.
Der Schlagzeuger war lange heroinabhängig. Mittlerweile ist er clean, trinkt Smoothies und trainiert. Das Suchtverhalten ist Ruben allerdings nicht los geworden, wie sein Umgang mit dem Gehörverlust zeigt. Erst will er das Problem ignorieren und weiter spielen, sich mit Lou auf der Bühne über Blicke verständigen. Dann versteift er sich auf eine technische Lösung. Er hofft, dass ihm eine teure Operation sein Gehör – und damit die Möglichkeit Musik zu machen – wieder zurückgibt.
«Sound of Metal» lebt vom Sounddesign
Regisseur Marders Spielfilmdebut beeindruckt. Der Zuschauer bekommt direkt mit wie es ist das Gehör zu verlieren. Das liegt erstmal am Sounddesign. Mal hört man die Aussenwelt wie sie ist, mal hört man was Ruben noch hört. Das macht die Welt des Protagonisten erlebbar, was ein Film in dieser Intensität nur selten schafft.
Stark sind die Szenen, wenn Ruben in die Selbsthilfegruppe eingeführt wird. Ohne Möglichkeit, sich auszudrücken – die Zeichensprache lernt er später – kann er nicht am Leben teilnehmen. In diesem Moment wusste ich genau, wie hilflos sich Ruben fühlt.
Bewegend sind auch die schönen Momente. Dann, wenn Ruben den tauben Kids das Trommeln beibringt, oder wenn er am Mittagstisch mit seinen neuen Freunden wieder mitreden kann – in Zeichensprache, natürlich.
«Sound of Metal» wird von Ahmeds Darstellung getragen. Er hat für die Rolle Schlagzeug spielen und die Zeichensprache gelernt. Der Schauspieler war am Set so in seiner Figur, dass er mit der Crew – viele davon sind taub – fast ausschliesslich über Zeichensprache kommuniziert hat. Ahmed macht Ruben real.
Nicht nur der Hauptdarsteller liefert eine Höchstleistung ab. Olivia Cooke zeigt eindrücklich die Ohnmacht, mit der Angehörige kämpfen. Herzzerreissend ist auch Paul Raci als Joe, der Ruben dazu bringen will, das Taubsein zu akzeptieren. Bei seinem letzten Auftritt hatte ich feuchte Augen. Grosses, menschliches Kino.
«Sound of Metal» ist für sechs Oscars nominiert. Darunter bester Film, bester Haupt- und Nebendarsteller. Schön, wenn die Academy mal den richtigen Film auf dem Schirm hat.