Mit fast zwei Jahren Verspätung hat es das neuste Abenteuer von James Bond doch noch ins Kino geschafft. Und das Warten hat sich gelohnt. «No Time to Die» ist ein würdiger Abschluss für Daniel Craig, der zum fünften und letzten Mal in die Rolle des britischen Kult-Agenten schlüpft.
Die Ausgangslage ist altbekannt: Bond ist mal wieder im Ruhestand. Weil ein wichtiger Wissenschaftler entführt wird, kehrt der Doppelnull-Agent widerwillig ins Feld zurück. Dieses Mal nicht im Dienst seiner Majestät, sondern auf Bitte seines CIA-Kollegen Felix Leiter (Jeffrey Wright).
«No Time to Die» schliesst mit einer ganzen Ära ab. Vorwissen über die Craig-Filme ist darum essenziell, für Bond-Neueinsteiger ist der Agenten-Thriller nichts. Auch Fans sei eine Auffrischung empfohlen. Wer keine Zeit hat: passende Videos gibt es auf Youtube.
Die Story ist komplex und versucht, offene Handlungsstränge abzuschliessen. Das klappt grösstenteils gut. Doch trotz über 2,5 Stunden Laufzeit – der längst Bond-Film aller Zeiten – werden manche Geschichten und Figuren zu oberflächlich behandelt.
«No Time to Die» ist kein neuer «Skyfall»
Zudem wirkt die Story mit ihren vielen Subplots stellenweise unharmonisch. Kein Wunder, waren auch gleich vier Drehbuchautoren involviert. «Casino Royale» und «Skyfall» waren hier besser. Dafür ist «No Time to Die» kurzweiliger.
Und wagt sich in neue Gewässer. Bond Nummer 25 setzt auf starke Emotionen. Der Film ist intim und überraschend dramatisch. Eine verwundbare Hauptfigur war seit jeher eine Stärke der Craig-Ära, doch menschlicher als hier war der Doppelnull-Agent noch nie.
Trotzdem ist der jüngste Bond-Streifen voller Action: Verfolgungsjagden, Schiessereien und Explosionen dürfen nicht fehlen. Ergänzt wird das Paket mit flotten Sprüchen, traumhaften Kulissen und Hommagen an frühere Abenteuer des britischen Spions. Im Kern bleibt sich die Filmreihe treu.
Das gilt auch für den Antagonisten. Lyutsifer Safin (Rami Malek) ist ein klassischer Bond-Bösewicht. Narben im Gesicht, eine sanfte Stimme und ein teuflischer Plan machen ihn zu einem der unheimlichsten Gegner des Kult-Agenten. Und Malek spielt schlicht perfekt. Dennoch fühlt sich seine Figur unterentwickelt an, zu trivial ist sein Motiv.
Wie immer ist auch der neue Bond-Streifen hochkarätig besetzt. Die eingesessenen MI6-Mitstreiter (Ralph Fiennes, Naomie Harris und Ben Whishaw) gefallen, ebenso die Neuzugänge Ana de Armas und Lashana Lynch. Craig spielt gewohnt auf hohem Niveau, was bei einer Gage von 50 Millionen Pfund auch zu erwarten ist. Doch wie bereits in «Spectre» stiehlt Léa Seydoux dem gealterten Agenten die Show. Ihr Schauspiel ist subtil, aber doch intensiv. Sie macht Madeleine Swann zu mehr als nur einem Bond-Girl.
Dass nicht wieder Oscarpreisträger Sam Mendes hinter dem Regiepult sitzt, stört nicht. Der US-Amerikaner Cary Fukunaga inszeniert «No Time to Die» fast genauso stilvoll wie sein Vorgänger. Schöne Silhouetten, hohe Kontraste und geschmackvolle Bildausschnitte machen den jüngsten Bond-Film zu einem Genuss fürs Auge. Und der Score von Hans Zimmer unterstreicht die neu gewonnenen Emotionen des Doppelnull-Agenten perfekt.
«No Time to Die» gehört klar zu den besseren Filmen der – eigentlich sehr soliden — Craig-Ära. Mit dem epischen «Skyfall» und dem cleveren «Casino Royale» kann er aber nicht mithalten. Trotzdem verlässt Craig die Bühne würdevoller als die meisten seiner Vorgänger.