Kelly Reichardt hat mit «Night Moves» einen Film über drei radikale Umweltschützer gemacht, die nicht akzeptieren wollen, wie der Mensch mit der Natur umgeht. Der Zuschauer muss sich darauf einlassen, wird dann aber mit einem aussergewöhnlichen und spannenden Thriller-Drama belohnt.
Josh (Jesse Eisenberg), Dena (Dakota Fanning) und Harmon (Peter Sarsgaard) wollen nachts einen Staudamm sprengen. Sie glauben, dass die Bevölkerung dann ihren Energieverbrauch hinterfragt. «Sie töten Lachse, nur damit sie jederzeit ihren verdammten iPod aufladen können», sagt Josh einmal. Er spielt darauf an, dass in Wasserkraftwerk-Turbinen viele Fische verenden.
Der Anschlag benötigt viel Vorbereitung. Die beiden Mittzwanziger kaufen sich ein Boot, der ältere Harmon hilft ihnen dabei, Sprengstoff aus Dünger herzustellen.
Auf dem Papier klingt das nach Heist-Filmen wie «Ocean’s Eleven» oder «Heat». Doch während die beiden Klassiker die Vorbereitungsphase nutzen, um ihre Protagonisten vorzustellen, bleibt «Night Moves» still. Nur wenig erfährt der Zuschauer über Josh, Dena und Harmon. Motivation und Charakterzüge werden langsam und in homöopathischen Dosen aufgedeckt.
«Night Moves» ist kein typischer Thriller
Das ist kein Fehler im Script, sondern vielmehr Ausdruck eines Argwohns, den alle drei gegeneinander hegen. Besonders Josh, der im Verlauf des Films zur zentralen Figur wird, fällt es schwer, sich auf andere einzulassen.
Der Film baut aufgrund seiner Ausgangslage früh Spannung auf, die durch das gegenseitige Misstrauen zusätzlich verstärkt wird. Im letzten Drittel, wenn die Sonne die Dunkelheit verdrängt, werden die Nerven des Zuschauers etwas geschont. Dafür überkommt ihn eine dumpfe, paranoid-depressive Stimmung.
Reichardt, die das Drehbuch zusammen mit Autor Jonathan Raymond geschrieben hat, schafft ein grosses Kunststück. Obwohl Identifikationsfiguren fehlen, lässt der Film den Zuschauer nicht los. Es ist die Ungewissheit, die das Publikum fesselt. Ziehen die drei den Anschlag wirklich durch? Oder hält sie irgendwas zurück?
Erstklassige Schauspiel-Leistung
«Night Moves» lebt mehr von der Story als von der Figurenentwicklung, hat aber mit typischen Thrillern wenig gemein. Dazu ist der Film viel zu ruhig. Und dennoch funktioniert er hervorragend.
Neben einer aussergewöhnlichen Geschichte punktet Reichhardts Werk mit schönen, herbstlichen Bildern eines ruralen, naturbelassenen Amerikas. Unterstützt werden die Aufnahmen durch einen bedrohlich-sanften Gitarren- und Piano-Soundtrack. Aber allem voran überzeugt «Night Moves» dank drei erstklassigen Schauspielern. Fanning und Sarsgaard sind stark, werden aber von Eisenbergs minimalistisch-intensiven Performance überstrahlt.
Er macht Josh zu einer unnahbaren, unheimlichen aber höchst faszinierenden Figur. Der Schauspieler zeigt Facetten, die man so von ihm bisher nicht gesehen hat. Und beweist damit erneut, dass er mehr ist als der kuriose Krauskopf, für den ihn noch heute viele halten.
Trotz Öko-Terrorismus ist «Night Moves» kein politisches Werk. Mehr als mit Ideologie setzt sich Reichardt mit Taten und deren Konsequenzen auseinander.
Das ist nicht für jedermann. Der Film richtet sich an ein anspruchsvolles und geduldiges Publikum. Dieses kriegt erst einen nervenaufreibenden Thriller, dann ein beklemmendes Drama. Gewiss einer der düstersten Filme, den ich in den letzten Jahren gesehen habe.