Men (2022)

Immer gehen sie ein Stück zu weit. Der höfliche Vermieter, der zu oft nachfragt. Der fürsorgliche Pfarrer, der seine Hand auf ihr Knie legt. In „Men“ machen Männer der traumatisierten Harper (Jessie Buckley) Angst. Was als bedrückendes Drama beginnt, endet in explizitem Body-Horror.

Nach einem Schicksalsschlag will sich die Londonerin Harper auf dem Land erholen. Sie reist allein in ein kleines, abgeschiedenes Dort, wo sie sich ein grosszügiges, frühneuzeitliches Anwesen gemietet hat. Erholung findet sie aber nicht. Schon bei ihrem ersten Spaziergang durch den Wald wird sie von einem nackten Mann verfolgt. Dann wird alles noch viel schlimmer.

Autorenfilmer Alex Garland setzt bei «Men» von Beginn weg auf starke und farbintensive Aufnahmen. Kombiniert mit minimalistischem, aber mystischem Chorgesang entsteht eine surreale Märchenwelt voller Symbolik. Der verlockende Apfelbaum vor dem Hauseingang ist erst der Anfang.

Men Pfarrer Rory Kinnear
Gibt schlechte Ratschläge: Der Pfarrer (Rory Kinnear) in „Men“.

Um sein Werk weiter zu abstrahieren hat Garland alle männlichen Rollen im Dorf mit Rory Kinnear besetzt. Dieser spielt Gastgeber, Polizist, Stalker und Barkeeper zugleich. Ein simples, aber effektives Stilmittel, um in die Gedankenwelt von Harper einzutauchen. Männer sind für sie alle gleich.

Aus ihrer Perspektive erzählt

«Men» erzählt die Geschichte durch die Augen seiner Hauptfigur. Jahrelang lebte Harper mit ihrem Partner in einer toxischen Beziehung. Hier beginnt die Täter-Opfer-Umkehr, die sich wie ein roter Faden durch den ganzen Film zieht. Der Pfarrer gibt ihr die Schuld am Ende der Beziehung, der Polizist glaubt, sie habe sich den Stalker ausgedacht. Mit teils verstörender Intimität lässt Garland den Zuschauer Harpers Trauma miterleben.

Auch ohne die – berechtigte, aber teils plumpe – Gesellschaftskritik ist «Men» ein nervenaufreibender Horrorfilm. Erst erinnert Garlands Werk an den skurrilen britischen Folk-Klassiker «The Wicker Man», später präsentiert der Regisseur ekligen Body-Horror im Stil von Grossmeister David Cronenberg.

Dabei muss sich «Men» nicht vor seinen Vorbildern verstecken. Schnell baut Garland eine dichte Stimmung auf, die im Verlauf des Films weiter an Intensität gewinnt. Das Finale ist Horror-Kino in Reinform. Zartbesaitete bleiben dem atemberaubenden Spektakel besser fern. 

«Men» lebt von starken schauspielerischen Kontrasten: Jessie Buckley überzeugt als traumatisierte, verzweifelte Frau. Ihre Emotionen sind real, sie ist das einzige natürliche Element in diesem bunten Albtraum-Märchen. Rory Kinnear ist mit seinem ruhigen, nüchternen Spiel ihr Gegenpol.

Garlands dritte Regiearbeit gehört zu den besten Horrorfilmen des Jahres. Dabei ist es nicht der Subtext, der heraussticht. Es sind die furchteinflössenden Momente – psychologisch oder surreal-, die sich noch Tage nach dem Kinobesuch im Hinterkopf festkrallen.

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