Schuld und Vergebung sind bei «Master Gardener» Programm. Autorenfilmer Paul Schrader schliesst damit seine «Man in a Room»-Trilogie, die ihn nach einigen Fehltritten mit «First Reformed» und «The Card Counter» wieder ins Rampenlicht zurückgeholt hat. Der letzte Teil der Reihe stellt ebenfalls einen einsamen Mann ins Zentrum, gibt sich aber überraschend versöhnlich.
Narvel Roth (Joel Edgerton) arbeitet als Gärtner auf dem grossen Anwesen von Norma Haverhill (Sigourney Weaver), wo er eine kleine Gruppe von Angestellten führt. Er ist höflich, loyal und zurückhaltend. Es ist sein neues Leben: Roth ist ein ehemaliger Neonazi in einem Zeugenschutzprogramm. In der Nacht quälen ihn Albträume. Als die junge, neugierige Maya Core (Quintessa Swindell) aufkreuzt, fällt das geordnete Dasein des Gärtners aus den Reihen.
«Master Gardener» folgt auf dem Papier der Formel seiner Vorgängerfilme: von Schuldgefühlen gequälte, emotional abgeschottete Männer, die auf Vergebung hoffen. «In ‹First Reformed› geht es wirklich nicht um den Klimawandel, in ‹Card Counter› nicht um Glücksspiel und in diesem Film geht es wirklich nicht um Rassismus oder Gartenarbeit», sagte Schrader jüngst der «New York Times». Es gehe um die Entwicklung der Seele dieser Menschen, die in ihren Zimmern eingesperrt seien und niemanden erreichen können.
Das ist nicht wirklich neu. Auch abgesehen der aktuellen Trilogie ist Schraders Werk voll mit einsamen Männern, die mit der Welt nicht klarkommen. Sei es der überdrehte Taxifahrer Travis Bickle aus «Taxi Driver» (Schrader hat hierfür das Drehbuch geschrieben) oder der orientierungslose Drogendealer John LeTour aus «Light Sleeper». Keiner von ihnen ist aber ein Nihilist. In jedem steckt ein Funken Hoffnung.
Schrader bleibt sich treu
Was also, wenn sich ein Filmemacher wiederholt? Hier bietet sich der Vergleich mit Woody Allen an. Auch der New Yorker stellt seit Jahrzehnten ähnliche Figuren ins Zentrum. Richtig interessant waren seine Werke zuletzt aber nur, wenn er von seiner Formel abwich. Bei Schrader ist es umgekehrt. Besonders sehenswert sind die für ihn typischen Werke, früher wie heute.
Das beweist er mit «Master Gardener» erneut. Mit dem Ex-Neonazi Roth hat der Autorenfilmer eine glaubwürdige und mehrschichtige Figur geschaffen. Sein Leid wirkt echt, ebenso sein Wunsch nach Vergebung aufrichtig. Obwohl er unser Mitgefühl nicht verdient hätte, habe ich irgendwann im Verlauf des Films dem Protagonisten vergeben. Schrader beweist erneut, dass er die Empathiemaschine beherrscht.
Doch der 76-Jährige ist nicht nur ein begnadeter Schreiber, sondern auch ein talentierter Regisseur. Mit ruhigen, oft kühlen Bildern fängt er die Stimmungswelt der Hauptfigur gekonnt ein. Er untermalt damit die gesprochene Melancholie vortrefflich. «Master Gardener» ist visuell ein Genuss, was bereits während der zauberhaft schönen Titelsequenz klar wird.
Natürlich profitiert der Film wie seine beiden Vorgänger von einem starken Cast. Edgerton überzeugt in der Rolle des ruhigen, geheimnisvollen Gärtners. Er strahlt Kraft und Ruhe zugleich aus – eine perfekte Wahl. Und obwohl Zendeya den Part von Core hätte übernehmen sollen, passt Swindell ebenso gut. Sie spielt glaubwürdig und vermittelt mit ihrer offenen Art eine jugendliche Leichtigkeit. Das passt perfekt zu Schraders Drehbuch, das insgesamt weniger düster ausfällt als bei den Vorgängerfilmen.
«Master Gardener» ist ein starker Abschluss einer beeindruckenden Trilogie. Auch wenn das Werk derzeit kaum Aufmerksamkeit erhält – in der Schweiz ist bisher kein Kinostart vorgesehen – dürften die drei Filme Cineasten noch lange begleiten. So gute Trilogien gibt es pro Jahrzehnt nur ein- bis zweimal.