Eigentlich wollte ich nicht über «Malignant» schreiben, doch der Streifen blieb hängen. Der neueste Streich von Regie-Wunderkind James Wan ist ein abgefahrener Ritt in die Hölle. Kein Grusel-Thriller wie «The Conjuring», sondern ein absurd-komischer Horror-Streifen mit viel Blut, Ironie und einer Prise Action.
Die Story beginnt unspektakulär. Hauptfigur Madison Mitchell (Annabelle Wallis) hat plötzlich Visionen von Morden. Schnell merkt sie, dass es sich hier nicht nur um Hirngespinste handelt. Mehr verrate ich nicht. Wans Film entfaltet seine Wirkung nur, wenn man mit möglichst wenig Vorwissen den Kinosaal betritt.
Dabei ist erstmal Geduld gefragt. Denn in der ersten Hälfte will der Streifen nicht richtig zünden. Nichts wirkt neu, und die Handlung scheint unharmonisch. Doch das Warten zahlt sich aus. Im letzten Drittel überdreht der Filmemacher die Schraube hin zum Wahnsinn. Dann ergibt auch das vorher Gesehene – mehrheitlich – Sinn.
Diese Formel ist nicht neu. Im Prinzip erinnert «Malignant» an – den thematisch zwar komplett unterschiedlichen – «Stay» von Mark Forster. Auch der lässt seine Zuschauer lange komplett im Ungewissen und liefert erst gegen Schluss den für das Verständnis nötigen Baustein. Kritiker mochten das nicht, die Zuschauer sind gespalten.
«Malignant» ist eine Hommage
Muss man sowas anschauen? Die Frage ist berechtigt. Doch die Auflösung von «Malignant» ist so irr, dass das Gesamterlebnis gefällt. So gut, dass sich ein zweiter Kinobesuch anbietet.
Auch der vielen Referenzen wegen. Offensichtlich ist «Malignant» eine Hommage an das Horrorkino der 70er und 80er Jahre: damals, als nicht jeder Gruselfilm bedeutungsvoll sein musste und kleine Logikfehler als Lappalie abgetan wurden – und nicht die halbe Youtube-Community in Aufruhr versetzte. Unübersehbar sind die Giallo-Referenzen – was bereits beim Filmposter beginnt. Aber auch von asiatischen Horrorfilm-Klassikern hat sich Wan offensichtlich inspirieren lassen.
Technisch weiss der Filmemacher genau, was er tut. Hier etwas Nebel, da ein schlecht beleuchtetes Zimmer. Fertig ist das Gruselkabinett. Der Soundtrack ist – abgesehen von einem eigenartigen Pixies-Cover – von der Stange, das Schauspiel ebenfalls.
Heute nehmen die meisten Horrorfilme – auch aus Wans Filmografie – den Zuschauer an die Hand. Jeder weiss was passiert. Den Kick gibt es durch Kunstblut und Jump-Scares. Doch dadurch werden die Filme berechenbar und langweilig. «Malignant» sticht aus dieser gleichgeschalteten Masse raus. Dieser Mut verdient Lob.
Wans neustes Horror-Rezept wird nicht allen schmecken. In einem Punkt dürften sich aber alle einig sein. Der Film ist – mir fehlt ein vergleichbar starkes deutsches Wort – Batshit crazy. Und das ist Mainstream-Kino heute eigentlich kaum noch.