Love Lies Bleeding (2024)

Gym-Mitarbeiterin Lou (Kristen Stewart) steckt ihren Arm tief in die verstopfte Toilettenschüssel. Nicht zum letzten Mal wird sie den Dreck anderer wegputzen. «Love Lies Bleeding» ist ein blutiger Krimi, eine wilde Liebesgeschichte und starkes feministisches Kino. Kleine Fehler verzeiht man gerne.

Ende der 80er-Jahre, irgendwo in den USA, lernt die ziellose Lou im Fitnesscenter Jackie (Katy O’Brian) kennen. Da diese soeben erst in der Kleinstadt angekommen ist, lässt Lou die ambitionierte, aber etwas leichtgläubige Bodybuilderin bei sich einziehen. Die gegenseitige Anziehung ist unmittelbar. Aus leidenschaftlichem Sex wird bald tiefe Liebe.

Die bittere Realität nimmt keine Rücksicht auf unsere Filmheldinnen. Jackie braucht Geld und heuert beim dubiosen Schiessstandbetreiber (furchteinflössend: Ed Harris) an. Ein beschissener Job. Und Lou muss zusehen, wie ihre Schwester Beth (tragisch: Jena Malone) immer heftiger von ihrem saufenden Ehemann JJ (böse: Dave Franco) verprügelt wird.

Love Lies Bleeding Katy O'Brian
Da fliesst bald Blut: Jackie (Katy O’Brian) mit einer Pistole.

Vor fünf Jahren hat die britische Regisseurin und Co-Autorin Rose Glass mit ihrem Spielfilmdebüt «Saint Maud» Zuschauer und Kritiker begeistert. «Love Lies Bleeding» hat mit dem Psycho-Horrorfilm auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten: nüchterne Realität statt spiritueller Grusel, trockene Wüstengegenden statt englischem Regenwetter. Im Kern aber drehen sich beide Werke um Aussenseiter und deren Obsessionen. Dieses Mal sind Muskeln der Religion gewichen.

Klischees werden ignoriert

Anfänglich scheinen Gut und Böse klar getrennt: die beiden Frauen gegen das Patriarchat. Man denkt an eine düstere Variante von «Thelma & Louise», angereichert mit einer Prise Western. Doch der Ersteindruck täuscht. Glass hat mit Lou und Jackie zwei komplexe und widersprüchliche Figuren erschaffen, die immer wieder die moralischen Grenzen des Zuschauers ausloten. Klischees werden gekonnt umfahren.

Vielleicht ist der Vergleich mit Quentin Tarantinos Frühwerken passender. Gestärkt von Liebe schlagen sich Lou und Jackie wie die Filmhelden (oder Antihelden) bei «Natural Born Killers» und «True Romance» durchs Leben. «Love Lies Bleeding» hat einen genauso hohen Coolness-Faktor wie die beiden Kultfilme. Glass dreht aber nie ins Überzeichnete ab und verleiht damit ihrem Zweitlingswerk mehr Schlagkraft und Substanz.

Trailer zu «Love Lies Bleeding»

Ergänzt wird die explosive Mischung mit einem phänomenalen Elektroscore von Clint Mansell und starken, teils hypnotisch-albtraumhaften (aber nie überstilisierten) Bildern. Grandios. «Love Lies Bleeding» hat Kultpotenzial. Ja, im letzten Drittel will Regisseurin Glass etwas zu viel. Doch sowas hat noch nie einen Film abgehalten, Kultstatus zu erreichen. Zumal der Britin mit einem fantastisch-abgedrehten Finale der perfekte Abschluss gelingt.

Fantastisch ist auch das Zusammenspiel der beiden Hauptdarstellerinnen. Katy O’Brian und Kristen Stewart ergänzen sich perfekt. Ihre zärtliche und jederzeit glaubwürdige Beziehung erdet «Love Lies Bleeding» selbst in surrealen Momenten. Stewart beweist erneut ihr Flair für schräge Rollen, doch hier ist sie menschlich und verletzlich wie selten. Das sollte man unbedingt auf der Grossleinwand sehen.

«Love Lies Bleeding» ist in der Deutschschweiz bereits angelaufen. Kinostart in Deutschland ist der 18. Juli 2024.

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