Last Night in Soho (2021)

Wer an einen modernen Horror-Filmemacher denkt, dem kommt wohl nicht als erstes Edgar Wright in den Sinn. Gewiss, sein Durchbruch gelang ihm mit dem Zombie-Streifen «Shaun of the Dead». Doch hier stand der Humor im Vordergrund. «Last Night in Soho» – sein zweiter Ausritt ins Genre – setzt hingegen auf Schauder statt Witz.

Landei Eloise «Ellie» Cooper (Thomasin McKenzie) ist verrückt nach den 60er-Jahren und träumt von der Karriere als Modedesignerin. Sie kommt ihrem Traum ein Stück näher, als sie an einer Design-Uni in London zugelassen wird. 

Dort läuft es für Ellie nicht wie erwartet. Die Mitbewohnerin in der Studierenden-Bleibe mobbt sie aufgrund ihrer selbst entworfenen Kleider, ihrer Herkunft und Nostalgie-Liebe. Als es Ellie zu viel wird, sucht sie sich einen Job und zieht aus. Unterkunft findet sie bei der schrulligen Miss Collins (überzeugt in ihrem letzten Film: Diana Rigg, 1938 – 2020).

Sind vernetzt: Sandy (Anya Taylor-Joy) und Eloise «Ellie» Cooper (Thomasin McKenzie).

Die erste Nacht im neuen Bett ändert alles. Ellie reist in das London der 60er-Jahre zurück. Nicht als sie selbst, sondern in der Haut der aufstrebenden Sängerin Sandy (Anya Taylor-Joy). Bald merkt sie, dass es sich hier um mehr als einen Traum handelt.

«Last Night in Soho bietet keine Retro-Romantik»

Dass Regisseur und Autor Wright die Filmwelt liebt, beweist er auch hier. «Last Night in Soho» ist vollgespickt mit popkulturellen Referenzen. Andere typische Wright-Elemente sind ebenfalls da. Die Kamerafahrten sind spektakulär, Schnitt und Zoom auf den Punkt gebracht, und die Bilder im Rhythmus der sorgfältig ausgewählten Musikstücke.

Doch die Leichtigkeit von «Baby Driver» oder der Cornetto-Trilogie fehlt. Wright schlägt in seinem jüngsten Werk ernstere Töne an. «Last Night in Soho» behandelt psychische Erkrankungen, sexuelle Gewalt und nimmt der Retro-Romantik ihren Glanz. Musik und Kleider waren in den goldenen 60er-Jahren toll, doch das Frauenbild mies.

Viele Fans dürften mit falschen Erwartungen den Film angehen – und enttäuscht werden. Mir ging es umgekehrt. Ich befürchtete eine Horrorkomödie und bekam einen dramatischen Horrorthriller.

«Last Night in Soho» funktioniert lange gut. Ellie ist eine liebenswürdige Figur, die dem Zuschauer schnell ans Herz wächst. Auch dank McKenzie, die die Studentin mit der nötigen Ernsthaftigkeit mimt. Sandie ist hingegen weniger greifbar, obwohl Taylor-Joy erneut eine Topleistung abliefert.

Das stört aber nicht weiter, sondern sorgt für die nötige Faszination. Ein Problem hingegen ist das stellenweise holprige Script. Der Auftakt gefällt, auch dank der vorhin erwähnten Pluspunkte. Wright schafft es lange, den Zuschauer trotz vielen Unklarheiten mitzunehmen. 

Doch leider geht es ab dem zweiten Akt etwas abwärts. Die Story springt hin und her – von Klischee zu Klischee. Manche sehen darin eine Hommage an Giallo-Filme, doch guter Horror ist anders. Auch die paar effektiven Jumpscares hieven «Last Night in Soho» nicht in die Grusel-Oberliga. Immerhin macht ein starkes Finale ein Teil dieser Zickzack-Fahrt wieder wett.

Doch ein schaler Nachgeschmack bleibt. Bei einem anderen Regisseur wäre das wohl nicht der Fall. Doch Wright ist ein Film-Wunderkind, für ihn gelten andere Massstäbe. «Last Night in Soho» ist ein überdurchschnittlicher Horrorthriller, in der fantastischen Wright-Filmografie aber nur Mittelmass.

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