La Nuit du 12 (2022)

Bereits im Vorspann weist Regisseur Dominik Moll darauf hin, dass sein Film von einem unaufgeklärten Mord handelt. Ein Spoiler? Mitnichten. Vielmehr lenkt er die Augen des Zuschauers dorthin, wo er sie sehen will: auf die Charaktere. «La Nuit du 12» ist ein tatsachenbasiertes Krimidrama über zermürbende Polizeiarbeit, eindringlich gespielt und bildstark inszeniert.

Der Film, im deutschsprachigen Raum auch als «In der Nacht des 12.» bekannt, beginnt mit einem brutalen Mord an einer jungen Frau in Grenoble. Der junge Ermittler Yohan Vivès (Bastien Bouillon) übernimmt den Fall. Und stolpert bereits bei seinen ersten Schritten. Während er der Mutter des Opfers die schreckliche Nachricht überbringt, fällt er aus dem Konzept. Sein Kollege muss übernehmen.

Das Team um Vivès befragt Bekannte und Angehörige. Sie erhalten schnell ein Bild des Opfers. Wurde die junge Frau von einem eifersüchtigen Ex-Freund umgebracht? Tatverdächtig sind gleich mehrere Männer. Doch irgendwie wollen die Puzzleteile nicht zusammenpassen.

Auf der Suche: Yohan Vivès (Bastien Bouillon) und seine Kollegen.

«La Nuit du 12» ist ein düsteres, teils emotional überwältigendes Drama. Präzise zeigt es auf, welcher Druck auf den Ermittlern lastet. Nicht nur der Angehörigen wegen, die sich so sehr eine Erklärung wünschen. Je länger die Ermittlungen andauern, desto mehr zehrt der Fall an Vivès› Substanz. Auch wenn er das gegen aussen nicht zeigen will.

Klar positioniert

In der von Bergen umfassten Stadt herrschen tief verankerte Vorurteile gegenüber jungen, selbstständigen Frauen. Auch bei der Kriminalpolizei findet sich dieses konservative Gedankengut. Der Film stellt dazu unbequeme Fragen, macht aus seiner Position aber kein Geheimnis: «La Nuit du 12» ist ein eindringliches, feministisches Statement.

Obwohl Regisseur Moll zu Beginn die Spielregeln festgelegt hat, hofft der Zuschauer – wie die Protagonisten – bis zum Schluss auf eine Auflösung. Nur gute Filmemacher können so mit den Erwartungen spielen. «La Nuit du 12» endet mit einer nachdenklichen Note, die noch lange im Hinterkopf nachhallt.

Angetrieben wird die Geschichte von gut geschriebenen, mehrschichtigen Figuren. Ein überzeugender Cast sorgt für den nötigen Realismus. Insbesondere Bouillon gefällt in der Rolle des zurückhaltenden, aber verbissenen Ermittlers Vivès. Sein minimalistisches Spiel ist jederzeit greifbar.

Trailer zu «La Nuit du 12»

Inszeniert ist der Film mit starken, kontrastreichen Bildern und einem düsteren Score. Parallelen an das moderne Krimi-Meisterwerk «Zodiac» sind darum nicht nur inhaltlich offensichtlich. Anders als Grossmeister David Fincher inszeniert Moll seinen Film geerdeter, aber ebenso stilvoll. Ein Genuss für Augen und Ohren.

«La Nuit du 12» ist ein Höhepunkt des bisherigen Kinojahres. Regisseur Moll hat einen Film geschaffen, der Erwartungen an das Genre erfüllt, emotional anspricht und dabei mehr ist als nur die Summe seiner Teile. So intensiv und tiefgründig ist der Kriminalfilm nur selten.