Eine über ein Jahrhundert andauernde Geschichte, aber die immer gleichen Figuren: «La Bête» fordert selbst den aufmerksamsten Zuschauer heraus. Doch die Geduld zahlt sich aus. Das rätselhafte Science-Fiction-Liebesdrama aus Frankreich ist ein Höhepunkt im aktuellen Kinojahr.
Im Jahr 2044 beherrscht künstliche Intelligenz die Welt. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 50 Prozent. Menschen und Menschlichkeit sind im Arbeitsmarkt unerwünscht. Und so entschliesst sich Gabrielle (Léa Seydoux), durch ein DNA-Verfahren ihre Gefühle abzuschwächen. Doch sie kann eine Liebe aus vergangenen Leben (George MacKay) nicht loslassen.
Filmemacher Bertrand Bonello erzählt seine Geschichte verschachtelt und springt zwischen verschiedenen Zeitebenen und Figuren hin und her. Bei einer so komplexen Erzählweise kommen Erinnerungen an David Lynch hoch. So viel sei verraten: Die Prämisse des Films ist zugleich dessen Schlüssel.
Parallelen zum amerikanischen Mystery-Meister zeigen sich auch im Stil: Mit ruhigen, sorgfältig ausgewählten Bildern und geheimnisvollen Figuren erschafft der Franzose mit seiner Buchverfilmung eine gespenstisch-hypnotische Atmosphäre, die erst beim Abspann wieder wegzieht. Kino zum Staunen, auch wenn man im Dunkeln tappt.
Unerfüllte Liebe und verpasste Chancen
Trotzdem ist «La Bête» ein sehr eigenständiges Werk, das sich wie selbstverständlich zwischen Kostümdrama und Psychothriller bewegt. Im Kern ist der Film geerdet: Regisseur und Co-Drehbuchautor Bonello versteckt hinter verstörenden Bildern, wunderschönen Kleidern und wackligen Handyaufnahmen eine Geschichte über verpasste Chancen.
Dass «La Bête» so gut funktioniert, liegt nicht zuletzt an zwei charismatischen Hauptdarstellern. Seydoux und MacKay spielen zurückhaltend, ohne jemals ihre Menschlichkeit zu verlieren. Man nimmt ihnen Sehnsucht und Leidenschaft ab. Beeindruckend auch, wie die beiden Schauspieler zwischen Sprachen und Akzenten wechseln. Hut ab. Chapeau. Hats off.
Manche Arthouse-Filme wurden nicht für ein breites Publikum gemacht. Das trifft auch auf «La Bête» zu. Darum ist Bonellos Jahrzehnte umspannendes Science-Fiction-Drama schon heute ein Geheimtipp. Denn so hypnotisch ist der Kinobesuch nur selten.