Insider (1999)

Früher oder später fallen in jedem Thriller Schüsse. Besonders, wenn Michael Mann hinter dem Regiepult sitzt. Die Schiesserei nach dem Bankraub in «Heat» ist so realistisch, dass sie zeitweise von den United States Marines zu Trainingszwecken genutzt wurde. Im Nachfolgefilm «Insider» wird nicht geschossen. Hoch spannend ist der Film dennoch.

Die Geschichte dreht sich um Lowell Bergman (Al Pacino), Produzent beim Investigativ-Format «60 Minutes» von CBS. Sein Job ist simpel: Er muss Menschen überzeugen, vor der Kamera auszupacken. Bergman hat hohe Standards. Seine Versprechen hält er immer, darauf ist er stolz.

Bei einer Recherche über die Tabak-Industrie lernt er Jeffrey Wigand (Russell Crowe) kennen. Der Wissenschaftler hat soeben einen gut bezahlten Chefposten beim Zigaretten-Hersteller Brown & Williamson verloren – weil er bei seinen Vorgesetzten ethische Bedenken geäussert hatte.

Jeffrey Wigand (Russell Crowe) will erst nicht gegen seinen früheren Arbeitgeber aussagen.

Bergman merkt schnell, dass Wigand seinen früheren Arbeitgeber stark belasten könnte. Doch der bleibt lieber stumm. Nicht nur, weil er damit eine stolze Abfindung verlieren würde, die seiner Familie den gewohnten Lebensstandard sichert. Schlimmstenfalls würde ihm Gefängnis drohen.

Der innere Konflikt ist nicht das einzige Problem. Der arbeitslose Tabak-Manager kämpft neben dem wohl wichtigsten Entscheid seines Lebens auch mit sich selbst. Seine Emotionen übernehmen unter Druck oft überhand, der Umgang mit anderen fällt ihm schwer. Wigands starker Gerechtigkeitssinn obsiegt schlussendlich, auch dank Bergmans Überzeugungskraft. Wären da nicht die mutlosen Manager in der CBS-Chefetage.

«Insider» ist eine wahre Geschichte, aber für Hollywood aufgebläht. Bergman’s Puppenspiel im dritten Akt hat es so nicht gegeben. Im Kern stimmt die Story: Ein rastloser Journalist und ein Wissenschaftler zwingen die Tabak-Lobby in die Knie. Schlussendlich musste die «Nikotin-Verabreichungs-Industrie» (Zitat Wigand) 200 Millionen Dollar Strafe zahlen.

«Insider» wirkt noch heute modern

Der Film zeigt anschaulich, welches Risiko Whistleblower eingehen. Wigman ist kein Held, handelt aber heroisch, indem er die Bedürfnisse der Allgemeinheit über seine eigenen stellt. Dafür trägt er Konsequenzen, die viele nicht auf sich nehmen würden.

Manns stilvolle Inszenierung überzeugt mich bei jedem Anschauen erneut. Das starke Naturlicht und die hohen Kontraste faszinieren. Und die vielen von Hand gefilmten Szenen lassen mich Mitten ins Geschehen eintauchen. Dazu kommt – ebenfalls typisch für einen Mann-Thriller – ein stimmiger, moderner Soundtrack. Dass Film und Musik über 20 Jahre auf dem Buckel haben, merkt man fast nicht.

Trailer zu «Insider»

Al Pacino spielt den aufbrausenden, prinzipientreuen Journalisten perfekt. Doch Russel Crowe stiehlt ihm die Show, obwohl er für die Rolle viel zu jung war. Das bisschen Schminke fällt nur beim ersten Mal auf – schnell verschwindet der Schauspieler komplett. Zurück bleibt ein eigenwilliger, konfliktbeladener Wissenschaftler. Crowe brilliert jedes Mal, wenn Wigand die Nerven verliert. Gleichzeitig stimmt er mich versöhnlich, wenn der liebende Vater und Ehemann die Überhand nimmt.

Trotz einer Spielzeit von über zweieinhalb Stunden fesselt «Insider». Ein paar Mal hab ich mir gewünscht, Mann hätte noch ein paar Szenen mehr drin gelassen.

Einziger Wermutstropfen ist, dass ein Film über Journalismus es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Darüber kann ich hinwegsehen. Ein guter Spielfilm sollte Denkanstösse liefern. Genau das macht «Insider».

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