Im Kern dreht sich «House of Gucci» um Gier, Egoismus und Macht. Ridley Scotts jüngster Film erzählt die faszinierende Geschichte der herrlich dysfunktionalen Gucci-Familie. Trotz kleiner Schwächen gefällt der rare Einblick hinter die Kulissen des Modekonzerns.
Im Zentrum steht Patrizia Reggiani (Lady Gaga). Zufällig trifft sie während einer Party Maurizio Gucci (Adam Driver), angehender Jurist und Nachkomme des bekannten Modehauses. Schnell entsteht eine ungleiche Liebesbeziehung. Er ist zurückhaltend, sie grossmäulig. Ihm stehen die Tore zur Welt offen, ihr bleiben die Türen zu Luxus-Restaurants verschlossen.
Dass die beiden heiraten wollen, passt dem eitlen Vater Rodolfo Gucci (Jeremy Irons) nicht. Er befürchtet, Reggiani interessiere nur das Geld des Clans. Maurizio lässt sich davon nicht abhalten. Als er ins Familienbusiness einsteigt, entsteht zwischen dem ungleichen Ehepaar eine gefährliche Dynamik. Erst wird die Familie, dann der eigene Partner zum Gegenspieler.
Viel Fassade in «House of Gucci»
«House of Gucci» basiert auf dem gleichnamigen Buch und erzählt die wahre, wenn auch vereinfachte Geschichte des Familienunternehmens während den 80er- und 90er-Jahren. Der Film handelt vom Stabwechsel zwischen Generationen, aber auch vom Wandel eines angestaubten und defizitären Luxusartikelherstellers zu einem populären Weltkonzern. Dubiose Familienmauscheleien treffen auf fernöstliche Investoren und Business-Pläne.
Von der Academy wurde «House of Gucci» mehrheitlich ignoriert. Einzig fürs Make-up konnte der Film eine Oscar-Nominierung abstauben. Auch Kritiker liess das Werk kalt. Vor allem das Schauspiel erntete böse Worte.
Ich teile diese Kritik nicht. Um die Unternehmerfamilie vorzuführen, präsentiert Scott sie überzeichnet und theatralisch. Wenn Jared Leto seine Figur lustvoll und klischeehaft spielt, gehört das dazu. Insbesondere gefällt aber Multitalent Gaga als selbstsüchtige Furie. Driver ist mit seinem charmanten Lächeln ihr idealer Gegenpol.
«House of Gucci» imponiert mit schönen Kulissen und Kostümen, wirkt aber kalt und oberflächlich. Das ist keine Schwäche, denn damit fängt Scott seine Protagonisten perfekt ein. Die Familie Gucci wird nicht als kreativer Stamm von Modeschöpfern gezeigt, sondern als eitle und unfähige Erben. Sie wollen keine Mode erschaffen, sondern den Ruhm von Gucci möglichst lange auskosten. Dass sich die Familie öffentlich gegen den Film ausgesprochen hat, überrascht nicht.
Mit einer Laufzeit von 158 Minuten ist er aber zu lang. Für die Figur von Salma Hayek hätte wohl ein Cameo-Auftritt gereicht. Zudem wirkt «House of Gucci» stellenweise zu routiniert inszeniert. Etwas mehr Verspieltheit und Detailliebe wäre wünschenswert gewesen. Doch vielleicht wollte Scott genau damit auf den uninspirierten Gucci-Clan anspielen.