Holy Spider (2022)

Filmemacher Ali Abbasi serviert mit «Holy Spider» schwere Kost. In zwei Stunden erzählt er die wahre Geschichte eines Serienmörders, der vor rund zwanzig Jahren die iranische Stadt Maschhad in Atem hielt. Neben expliziter Gewalt schockiert der Spielfilm auch durch seine politisch-gesellschaftliche Dimension.

Herbst 2001: Journalistin Rahimi (Zar Amir-Ebrahimi) wird von ihrer Redaktion nach Maschhad geschickt um über einen Prostituiertenmörder zu berichten. Unterstützung von den Behörden erhält sie dabei nur spärlich. Als Frau sowieso. Schnell taucht Rahimi viel zu tief in die düstere Welt des «Spinnenmörders» Saeed Hanaei (Mehdi Bajestani) ab.

Auf dem Papier hat «Holy Spider» Parallelen zu «Zodiac» von David Fincher. Beide Filme behandeln eine wahre Geschichte über einen Serienmörder, der immer wieder Kontakt zur Öffentlichkeit sucht. Und in beiden Filmen stehen Journalisten im Zentrum.

Das Böse trägt Bart: Saeed Hanaei (Mehdi Bajestani)

Während Fincher aus offensichtlichen Gründen den Täter nicht zeigt – der «Zodiac-Killer» wurde nie gefasst – präsentiert Abbasi den «Spinnenmörder» bereits zu Beginn seines Films. «Holy Spider» ist dadurch nicht nur Porträt einer getriebenen Journalistin, sondern auch Charakterstudie eines fehlgeleiteten Mannes, der sich in einem erzkonservativen Staat auf Mission Gottes sieht.

Kritik aus dem Iran

Das fasziniert, nimmt dem Film aber einen Teil der Spannung. Abbasi kompensiert dies einerseits, indem er einen Teil der Geschichte fiktionalisiert und überdramatisiert. Andererseits machen kontrastreiche Bilder, zwei besonders starke Hauptdarsteller und ein düster-dröhnender Score «Holy Spider» zu einem sehenswerten, wenn auch brutalen Filmerlebnis.

Der in Dänemark lebende, gebürtige Iraner Abbasi sorgte mit «Holy Spider» in seinem Heimatland für rote Köpfe. Offizielle Vertreter des Gottesstaates warfen Regisseur Abbasi und Hauptdarstellerin Amir-Ebrahimi nach der Erstaufführung Blasphemie vor. Die Kulturbehörde des Landes verunglimpfte den Film in einer Mitteilung als «Produkt eines verdrehten Verstands». Viele der Beteiligten wurden daraufhin bedroht.

Achtung: ab hier gibt es einen kleinen Spoiler, der für diese Filmbesprechung nötig ist. Du kannst gerne nach dem Kinobesuch weiterlesen.

Düster: Trailer zu «Holy Spider»

Tatsächlich kommt der Iran in «Holy Spider» schlecht weg. Er wird als erzkonservatives, patriarchalisches Land ohne funktionierende Justitz oder Politik gezeigt. Der Titel des Films (auf Deutsch: Heilige Spinne) ist darum auch zweideutig. Einerseits glaubt Serienmörder Hanaei im Auftrag Gottes zu handeln, andererseits erhält er für seine Taten von Teilen der Öffentlichkeit viel Zuspruch.

Obwohl der behandelte Fall über 20 Jahre her ist, hat «Holy Spider» mit dem Aufkommen erneuter Proteste im Iran eine aktuelle Brisanz. Radikales religiöses Gedankengut prägt auch heute noch das Land. Doch auch fernab der politischen-gesellschaftlichen Dimension überzeugt der Film durch seine Machart. Abbasi schafft den Spagat zwischen spannendem Thriller-Kino und düsterem Gesellschaftsporträt gekonnt.

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