Es grenzt an Irrsinn im Sommer einen Weihnachtsfilm anzuschauen. Doch «Happiest Season» ist so gut, da mache ich gerne eine Ausnahme. Regisseurin und Drehbuchautorin Clea DuVall hat eine zeitgemässe romantische Weihnachtskomödie gedreht, die bald zum Standardrepertoire gehören wird.
Im Zentrum stehen Abby (Kristen Stewart) und Harper (Mackenzie Davis). Seit einem Jahr sind sie ein Paar. Aus einer (Feier-)Laune heraus lädt Harper ihre Freundin ein, Weihnachten bei ihren Eltern zu verbringen. Was entspannend sein könnte, wird zum Test ihrer Liebe.
Kurz vor Ankunft gibt Harper zu, dass sie ihr Coming-out noch nicht hatte. Mutter und Vater wissen nicht, dass sie lesbisch ist. Widerwillig gibt sich Abby darum als einsame Mitbewohnerin aus. Das mündet – wenig überraschend – in Chaos und Missverständnissen.
«Happiest Season» ist der Weihnachtsfilm, auf den die LGBT-Community lange warten musste. Nicht dass sie in Filmen überrepräsentiert wäre – doch gerade wenn es um Familienthemen geht, stehen in den allermeisten Fällen Heterosexuelle im Fokus.
Viel Witz und Konflikte
DuVall geht den Stoff mit der nötigen Sensibilität an und zeigt dem unwissenden Zuschauer, welche emotionale Herausforderung ein Coming-out sein kann. Und gleichzeitig macht sie klar, wie universell unsere Gefühle sind. Liebe ist Liebe. Ganz einfach.
Die Ausgangslage mag Drama-Stoff sein – immerhin fürchtet sich Harper vor der Reaktion ihrer Eltern – dennoch ist «Happiest Season» eindeutig eine Komödie. Das Versteckspiel ist komisch, die Figuren teils herrlich überdreht. Letzteres trifft besonders auf Abbys schrägen, aber liebevollen Freund John (Dan Levy) zu.
Abgesehen davon, dass die Geschichte von einem lesbischen Paar handelt, bleiben die Normen des Weihnachtsfilms unangetastet. Ob Stimmung oder Musik – fremd wirkt hier nichts. Das Fest der Liebe ist auch in «Happiest Season» eine Zusammenkunft mit Konfliktpotential: Mutter und Vater sind mit sich beschäftigt, die drei erwachsenen Töchter kämpfen – wie bereits im Kindesalter – um die Gunst der Eltern.
«Happiest Season» setzt auf Emotionen
DuValls Werk zieht zügig voran und orientiert sich am klassischen Aufbau einer romantischen Komödie. Das stört nicht, weil die Filmemacherin mit Klischees bewusst spielt. Eher untypisch für einen Weihnachtsfilm schlägt sie auch mal düstere Pfade ein. Typisch hingegen steckt «Happiest Season» voller Emotionen. Ich habe über Missgeschicke gelacht und über Fehler geweint. Wobei die (lauten) Lacher natürlich in der Mehrheit waren.
Dass die Emotionen auf der Leinwand so authentisch sind, liegt auch an cleveren Dialogen, aber primär an den beiden Hauptdarstellerinnen. Stewart und Davis sind in Höchstform. Die Chemie stimmt, ihre Liebe scheint real und ungespielt. Filmemacherin DuVall weiss genau, was es für solche Leistungen braucht – immerhin stand sie den grössten Teil ihrer Karriere vor statt hinter der Kamera.
Sieht man von ein paar Hängern ab, ist «Happiest Season» der fast perfekte Weihnachtsfilm: Positiv, herzlich und humorvoll. Man sollte nicht bis Dezember warten, um ihn anzusehen.