Gone Girl (2014)

«Gone Girl» ist David Finchers Hitchcock-Film. Immer wieder präsentiert er Wendungen, die der Zuschauer nicht vorhersehen kann. Wie der «Master of Suspense» schafft auch Fincher die Gratwanderung: «Gone Girl» bleibt trotz Überraschungen glaubwürdig.

Der Film beginnt damit, dass Amy (Rosamund Pike) verschwindet. Schnell gerät ihr Mann Nick (Ben Affleck), ein erfolgloser Schriftsteller und Barbesitzer, in den Fokus der Ermittler. Das ist die Ausgangslage. Doch bei «Gone Girl» ist nichts so, wie es scheint.

Wo ist Amy? Wieso ist sie verschwunden? Regisseur Finchers Film ist eine Schnitzeljagd. Im wahrsten Sinne des Wortes. Vor ihrem Verschwinden hat Amy eine Schnitzeljagd vorbereitet, wie immer an ihrem Hochzeitstag. So kommt Nick der Wahrheit Stück für Stück näher.

Nick (Ben Affleck) sucht Amy (Rosamund Pike)

Wie für einen guten Thriller üblich, baut der Film schnell Spannung auf. In der Hälfte legt Fincher einen Gang zurück und lässt den Zuschauer das Geschehene verdauen. Ähnlich wie dies Alfred Hitchcock in seinem Meisterwerk «Vertigo» getan hat. Das Ende von «Gone Girl» ist abgründig und unfassbar – und trotzdem plausibel.

Im Kern ist «Gone Girl» ein Drama

Das liegt daran, dass Drehbuchautorin Gillian Flynn – die ihr gleichnamiges Buch adaptiert hat – glaubwürdige Personen geschrieben hat. Amy und Nick liebten sich einst innig – oder zumindest die Rollen, die sie einander vorgespielt haben. Ihre Ehe mündet in Abhängigkeiten, Misstrauen und Gewalt.

Im Kern ist «Gone Girl» ein Beziehungsdrama. Amy und Nick sind nicht austauschbare Figuren, die einzig der Handlung dienen. Der Film funktioniert, weil ihre Entscheide und Absichten nachvollziehbar sind. Das machte es mir als Zuschauer trotzdem nicht leicht. Immer wieder bewegte ich mich zwischen Verständnis und Abscheu.

Nicht zuletzt ist «Gone Girl» eine Medienkritik. Nach dem Verschwinden Amys verbeissen sich Journalisten in Nick. Die Expertin am TV-Bildschirm spekuliert über Inzest, angebliche Freunde erzählen vor der Kamera Halbwahrheiten. So entsteht eine öffentliche Meinung, die weit von der Realität entfernt liegt. Affleck ist für die Rolle die Idealbesetzung, wird doch auch sein Privatleben regelmässig in den Medien ausgebreitet.

Handwerklich ist Finchers Film – wie üblich – tadellos. Jedes Bild strahlt Perfektion aus. Ob dunkle Blautöne, ein ungesunder Gelbstich oder trübe Grüntöne. Durch geschickte Farbwahl verleiht der Regisseur «Gone Girl» zusätzlich Kraft. Untermalt werden die Bilder von einem kalten und bedrohlichen Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross.

Auch dunkle Bilder machen aus ihm keinen Bösewicht: Neil Patrick Harris.

Affleck spielt gekonnt auf hohem Niveau. Doch Highlight ist eindeutig Pike. Sie überzeugt jederzeit. Als kalte, berechnende Ehefrau wie auch als charmante, abenteuerlustige Freundin. Nur Neil Patrick Harris ist in meinen Augen eine Fehlbesetzung. Für einen krankhaften Stalker ist er zu harmlos, auch wenn er sich noch so Mühe gibt.

Trotzdem bleibt «Gone Girl» ein aussergewöhnlicher Thriller, den es in dieser Qualität nur alle paar Jahre mal gibt. Selbst im Portfolio von David Fincher sticht dieser Film heraus.

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