Die Pandemie hat Regielegenden nostalgisch gemacht. Erst blickt Altmeister Steven Spielberg mit «Die Fabelmans» auf seine Kindheit zurück, nun zieht Wunderkind Sam Mendes nach. «Empire of Light» ist sein persönlichstes Werk bisher, das trotz Schwächen mit warmer Herzlichkeit berührt.
Zu Beginn der 80er-Jahre arbeitet Hilary (Olivia Colman) in einem Kino an der Kasse. Sie ist einsam, leidet unter einer bipolaren Störung und wird vom Kinobesitzer Donald (Colin Firth) sexuell ausgenutzt. Erst durch die Beziehung mit dem jungen Arbeitskollegen Stephen (Micheal Ward) blüht sie wieder auf.
Nach Abstechern ins Action-Genre, zuletzt mit dem spektakulär inszenierten Kriegsfilm «1917», kehrt Mendes mit «Empire of Light» zu seinen Wurzeln zurück. Anders als bei seinen preisgekrönten Dramen «American Beauty» und «Zeiten des Aufruhrs» hat der Brite hier zum ersten Mal das Drehbuch allein verfasst.
«Empire of Light» spielt in der Zeit, als Mendes Kind war. Hauptfigur Hilary sei an seine Mutter angelehnt, verriet der Filmemacher jüngst in einem Interview. Die Geschichte selbst ist jedoch Fiktion. Real hingegen sind die Umstände: Arbeitslosigkeit, Rassismus und gesellschaftliche Unzufriedenheit waren Anfang der 80er-Jahre in Grossbritannien omnipräsent.
Überladenes Drehbuch, wunderbar inszeniert
Mit all diesen Themen ist Mendes’ Script überladen. Im Zentrum steht die Liebe zweier ungleicher Menschen. Doch die vielen Nebenschauplätze lenken von der eigentlichen Geschichte ab, vor allem in der zweiten Hälfte. Grössenwahn sollte man dem Filmemacher jedoch nicht vorwerfen. Vielmehr sind es zu viele gute Absichten, die sich in die Quere kommen.
Neben dem etwas unfokussierten Drehbuch leistet sich der Film keine anderen Schwächen. Gemeinsam mit seinem langjährigen Kameramann Roger Deakins erschafft Mendes eine einladende, warme Atmosphäre, die sich über die ganze Laufzeit spannt. Jeder Moment ist schlicht atemberaubend schön eingefangen. «Empire of Light» – ein Film, in dem das Kino zum Zufluchtsort verkommt – wurde für die Grossleinwand geschaffen.
Untermalt wird das Geschehen von einem minimalistischen und melancholischen Piano-Score der beiden Branchengrössen Trent Reznor und Atticus Ross. Nur kalten Zynikern wird beim Zuhören nicht warm ums Herz.
Ebenfalls gefällt das Schauspiel. Besonders Colman nimmt mit ihrer starken Präsenz die ganze Leinwand ein. Sie spielt verletzlich und unbesiegbar zugleich. Ein weiterer Höhepunkt einer fantastischen Karriere. Daneben punktet «Empire of Light» mit vielen tollen Darstellern in Nebenrollen. Insbesondere Toby Jones gefällt als eigenwilliger, aber liebevoller Vorführer Norman.
Objektiv kann «Empire of Light» nicht mit Mendes› vergangenen Grosstaten mithalten. Doch erstmals zeigt der Regisseur eine menschliche Seite, die er zuvor nicht zugelassen hat. Und dafür allein lohnt sich der Kinobesuch.