Copie Conforme (2010)

Deutsche Titel von ausländischen Filmen haben die Tendenz schlecht zu sein. Im Fall von «Copie Conforme» ist dies eine Untertreibung. Der Titel ist nicht nur platt, sondern liefert gleich eine Interpretation mit. Damit raubt er dem Zuschauer gleich ein Stück Film-Faszination. Ich nenne darum nur den Originaltitel.

«Copie Conforme» dreht sich um eine namenlose Kunsthändlerin (Juliette Binoche) und den Schriftsteller James Miller (William Shimell). Der Brite ist in der Toskana um sein neustes Buch zu promoten, die Französin sitzt im Publikum und hört ihm zu.

Um dem Schriftsteller die Zeit vor dem Rückflug zu verkürzen, besuchen die beiden zusammen ein kleines, malerisches Städtchen. Sie will ihm ein Kunstwerk zeigen, von dem sie glaubt, es würde ihm gefallen. In einem kleinen Kaffeehaus beginnt die Verwirrung, als die Kellnerin die beiden für ein Ehepaar hält.

«Copie Conforme» ist Abbas Kiarostamis († 2016) erster Spielfilm, den er ausserhalb des Irans gedreht hat. Dabei ist ihm ein kleines Meisterwerk gelungen. Was beginnt wie die romantische Before-Trilogie von Richard Linklater, verwirrt plötzlich wie David Lynchs «Mulholland Drive». Ständig tauchen mir Fragen auf, die der Film nicht beantworten will.

In welchem Verhältnis stehen die beiden Figuren zueinander? Ist es ein Spiel? Oder sind sie tatsächlich seit Jahren ein Ehepaar? Natürlich wissen die Protagonisten was passiert. Der Zuschauer weiss es nicht.

So wie ich das interpretiere, liegt der Schlüssel zum Film in Millers Buch. Der Schriftsteller beschäftigt sich mit richtiger und gefälschter Kunst. Seine These: Jede Reproduktion ist ein Original.

«Copie Conforme» lässt viele Interpretationen zu

Neben dem Buch gibt es einen zweiten Hinweis, den Binoche in einem Interview erwähnte. Kiarostami habe ihr die Geschichte ursprünglich als Tatsache verkauft, die er einst selbst erlebt haben soll. Schlussendlich lässt «Copie Conforme» viele Interpretationen zu, die alle richtig sein können. Eine Erklärung hat der Filmemacher nie geliefert.

Copie Conforme lässt viele Fragen offen.

Dass Kiarostami mich ständig in der Ungewissheit lässt, stört nie. Viel zu gut ist das Gesamtpaket. Meine Fragen bleiben im Hinterkopf, der Fokus auf der Leinwand – und nicht umgekehrt. Eine starke Leistung.

Stark sind auch die Bilder. Dadurch, dass ich als Zuschauer in Dialogen häufig direkt gegenüber den Protagonisten sitze, fühle ich mich direkt angesprochen. Das funktioniert allerdings auch nur, weil die beiden Hauptdarsteller so authentisch spielen.

Opernsänger Shimell überzeugt in seiner ersten Filmrolle als intellektueller Brite bereits nach wenigen Minuten. Ein kleiner Witz, schon hat er mich. Binoche ist eine absolute Wucht. Werden ihre Augen feucht, berührt mich das jedes Mal. Ich leide mit ihrer Figur, obwohl ich nicht weiss warum.

«Copie Conforme» dürfte viele Zuschauer vor den Kopf stossen. Dafür habe ich Verständnis. Wer sich aber Kiarostamis Film nicht anschaut, darf sich allerdings nie mehr beklagen, dass alle Liebesfilme gleich seien.

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