C’mon C’mon (2021)

Autorenfilmer Mike Mills liefert vieles um die Academy zu beeindrucken: mehrdimensionale Figuren, starkes Schauspiel, tolle Kameraarbeit und ein schöner Score. Und doch wurde die Indie-Perle «C’mon C’mon» bei der diesjährigen Oscar-Runde komplett ignoriert.

Radiojournalist Johnny (Joaquin Phoenix) reist durch Grossstädte der USA, wo er für ein Projekt Schulkindern grosse Fragen übers Leben stellt. Seine Arbeit muss er unterbrechen, weil ihn seine Schwester Viv (Gaby Hoffmann) bittet, ein paar Wochen auf ihren Sohn Jesse (Woody Norman) aufzupassen.

Das überrascht Johnny. Nach dem Tod der Mutter hatten er und seine Schwester kaum Kontakt. Doch Viv ist in einer Notlage. Sie muss sich um ihren psychisch kranken Partner – Jesses Vater – kümmern.

Jesse (Woody Norman) und Viv (Gaby Hoffmann)

Onkel und Neffe haben einen ruppigen Start. Der hyperaktive und vorwitzige Neunjährige fordert den alleinstehenden Journalisten ständig heraus. Bald schon entsteht zwischen den beiden eine enge, freundschaftliche Bindung.

Der Film tangiert viele Themen. Doch Schicksalsschläge, gesundheitliche Probleme und Trauer spielen bloss eine Nebenrolle. Filmemacher Mills fokussiert auf die Beziehung seiner beider Hauptfiguren.

Die Tonalität trifft der Film perfekt

Obwohl Johnny durch seinen Job Bezug zu Kindern hat, lernt er erst durch seinen Neffen, was Elternsein und Verantwortung bedeuten. Einzelgänger Jesse lernt hingegen durch seinen Onkel den wahren Wert der Freundschaft.

Der Film begegnet Kindern auf Augenhöhe. Entsprechend bewegen sich die Dialoge zwischen profund und albern. Das ist oft witzig, stellenweise rührend und nur selten langweilig. «C’mon C’mon» trifft Tonalität und Tempo fast immer perfekt.

Spätestens während den Szenen in New York kommen Erinnerungen an Woody Allens «Manhattan» auf. Auch wegen der hohen Dialoglastigkeit. Doch primär wegen der Optik: Mills’ Film ist komplett schwarzweiss. Zwar gefallen die weichen Bilder, dem Film bringt die Farblosigkeit aber nichts. Einzig sticht er so visuell aus der breiten Masse an Dramen heraus. 

Dabei ist diese Effekthascherei unnötig. Wirklich hebt sich «C’mon C’mon» von den meisten Hollywood-Dramen durch seine rare, glaubwürdige Menschlichkeit ab. Der Film berührt, drückt aber nie auf die Tränendrüsen. Filmemacher Mills macht seine Punkte ohne Kitsch.

Lob gibt es auch für das Schauspiel. Hoffmann gefällt als überforderte Mutter, die ihre Bedürfnisse hinten anstellen lässt. Eine beachtliche Leistung liefert auch Kinderdarsteller Norman. Er spielt den anstrengenden Buben, ohne den Zuschauer anzustrengen. Eine Gratwanderung, die sonst nur selten gelingt.

Highlight aber ist Phoenix. Nachdem er 2020 die Welt als Joker schockiert hat, überzeugt er in «C’mon C’mon» als warmherziger und introvertierter Radiojournalist. Statt pompös, ist sein Schauspiel minimalistisch. Diese Bandbreite beherrschen nur wenige Hollywood-Stars.

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