Beiläufig wird im Gespräch ein «Antifa-Massaker» erwähnt. Wurden Antifaschisten getötet? Haben diese jemanden massakriert? «Civil War» liefert keine Antwort. Gleiches gilt für den Bürgerkrieg auf der Leinwand. Die Gründe dafür bleiben mehrheitlich offen. Und doch ist der Mix aus Roadmovie und Antikriegsfilm hochpolitisches Kino. Mit beklemmendem Realismus macht Autorenfilmer Alex Garland deutlich, wie fragil selbst gestandene Demokratien sind.
In einer nahen Zukunft herrscht in den USA Krieg. Texas und Kalifornien haben sich zu den sogenannten Western Forces zusammengetan, um den diktatorischen Präsidenten (Nick Offerman) zu stürzen. Der Film begleitet die preisgekrönte Fotojournalistin Lee (fantastisch: Kirsten Dunst) und ihre Kollegen Joel (Wagner Moura), Jessie (Cailee Spaeny) und Sammy (Stephen McKinley Henderson), die gemeinsam durch die USA reisen, um in Washington D.C. den Untergang des angeschlagenen Staatsoberhaupts zu begleiten.
Fokus setzt «Civil War» auf die vier getriebenen Journalisten. Urteilsfrei dokumentieren sie den tobenden Krieg im eigenen Land. Sie halten fest, was andere ignorieren und riskieren dafür ihr Leben. Nicht ohne Eigennutzen. Gerade Joel kann dem Adrenalinrausch hitziger Feuergefechte kaum widerstehen. Erst überfordert, lässt sich später auch Jungfotografin Jessie mitreissen. Schaulust wirft Regisseur und Drehbuchautor Garland seinen Protagonisten jedoch nie vor. Die Jagd nach Nervenkitzel scheint eher eine Strategie zu sein, um die Grausamkeit des Krieges erträglicher zu machen.
Betrifft nicht nur die USA
Der Film zeigt ein zweigeteiltes Land. Auf der einen Seite der politisch angeschlagene Präsident, ihm gegenüber Kalifornien und Texas, die gemeinsam die Regierung bekämpfen. Wohl kaum ein Zufall: Indem Garland zwei Bundesstaaten vereint, die in der Realität politisch stark entfremdet sind, macht er seine Geschichte einem breiteren Publikum mit unterschiedlichen Sichtweisen zugänglich.
Im Kern handelt das Werk des britischen Filmemachers von gesellschaftlicher Spaltung. Und damit betrifft «Civil War» nicht nur die USA. Simples Freund-Feind-Denken gibt es heute auch in vielen europäischen und asiatischen Ländern. Mit erschreckendem, teils überwältigendem Realismus macht Garland deutlich, was passieren könnte, wenn wir uns als Gesellschaft immer weiter voneinander entfernen.
Unbeschönigt zeigt der Film die Dehumanisierung durch den Krieg. Gefangene werden skrupellos hingerichtet, wehrlose Nachbarn gefoltert. Helden gibt es keine. Besonders deutlich macht dies der nervenaufreibende Kurzauftritt von Jesse Plemons. Wie bei Genre-Klassikern «Apocalypse Now» oder «Platoon» wird auch hier das Geschehen von einem zeitgenössischen Rock-Soundtrack untermalt. Garland entschärft damit teilweise die Intensität seines Films, die sonst stellenweise kaum zu ertragen wäre.
Krieg auf der Leinwand ist immer unangenehm. Doch «Civil War» schockiert anders als klassische Kriegsfilme, weil sich der Filmemacher mit seiner Horrorvision nicht weit von der westlichen Lebensrealität bewegt. Das Weisse Haus und das Lincoln Memorial mögen nicht unter Beschuss sein, doch schon heute unterteilen bewaffnete Milizen in den USA die Bevölkerung in «richtige» und «andere» Amerikaner. Und was, wenn Donald Trump damals den Sturm auf das Capitol weiter befeuert hätte?
Nachdem der britische Autorenfilmer mit «Men» ein modernes Horror-Meisterwerk erschaffen hat, liefert er als Nachfolger einen der besten Antikriegsfilme der letzten Jahre. Garland bleibt ein Ausnahmetalent. «Civil War» hat das Potenzial, einst ein Klassiker zu werden. Und hoffentlich keine Prophezeiung.