Der letzte Teil der Before-Trilogie ist der erwachsenste. Anders als «Before Sunrise» und «Before Sunset» zeigt «Before Midnight» nicht die Romantik des Zusammenkommens, sondern die Realität des Zusammenseins.
Neun Jahre sind seit dem letzten Film vergangen. Mittlerweile in den 40ern, leben Jesse (Ethan Hawke) und Celine (Julie Delpy) zusammen mit ihren zwei Mädchen in Paris. Er ist erfolgreicher Schriftsteller, sie steht kurz davor, einen Job bei der Regierung anzunehmen.
Aus einer früheren Beziehung hat Jesse Sohn Hank (Seamus Davey-Fitzpatrick), der bei seiner Mutter in Chigaco lebt. «Before Midnight» beginnt damit, dass der Vater seinen Sohn am Flughafen verabschiedet. Ihn gehen zu lassen fällt Jesse schwer.
Während Hank nach Hause fliegt, bleiben Jesse und Celine mit ihren Töchtern noch einen letzten Tag auf der griechischen Halbinsel Peloponnes. Es ist das Ende eines sechswöchigen Urlaubs, den sie bei einem einheimischen Schriftsteller und dessen Freunden verbracht haben. Diese schenken dem Paar zum Abschied eine Übernachtung in einem schicken Hotel am Meer. Eine kurze Auszeit ohne Nachwuchs.
«Before Midnight» ist ernster
Dann funktioniert «Before Midnight» wieder wie seine Vorgängerfilme: Ziellos wandern Jesse und Celine durch enge Gassen, sprechen über Ängste und Träume, über das Erwachsensein und das Sterben. Die Chemie stimmt noch immer. Doch während sich in «Before Sunrise» und «Before Sunset» die Frage stellt, ob die beiden zusammenkommen, stellt sich jetzt die Frage, wie es weitergeht.
«Before Midnight» zeigt ein eingespieltes Paar, das im Alltag gefangen ist. Erst auf diesem Spaziergang analysieren Celine und Jesse – wohl zum ersten Mal seit Jahren – ihr Leben und ihre Beziehung. Sind sie das, was sie sein wollen?
Regisseur Richard Linklater hat den letzten Teil der Trilogie ebenfalls mit seinen beiden Hauptdarstellern geschrieben. Die Dialoge wirken spontan und natürlich, improvisiert ist aber kein Wort. «Before Midnight» ist somit klar als Teil der Filmreihe zu erkennen, wenn auch die Tonalität ernsthafter ist. In den ersten beiden überwiegt die Harmonie, hier nicht.
Damit hatte ich beim ersten Anschauen Probleme. Ich war auf Romantik eingestellt und erhielt eine teils harsche Realität. Die Erwartung hat eine nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Filmgenuss. Als ich «Before Midnight» zum zweiten Mal schaute wurde mir klar, dass er nicht anders hätte sein dürfen. Grundsatzdebatten und Meinungsverschiedenheiten – auch mal lauthals ausgetragen – gehören in einer echten Beziehung dazu.
Erstklassiges Drehbuch
Verglichen mit den Vorgängerwerken ist «Before Midnight» noch ein Stück realitätsnaher. Das liegt an der Chemie zwischen den Hauptdarstellern, die so nur ganz selten auf der Leinwand zu sehen ist. Ebenso an der unspektakulären, aber grossartig abgestimmten Regiearbeit Linklaters. Allem voran aber an einem unterhaltsamen und sensiblen Drehbuch, das das Menschsein perfekt erfasst.
Ein schönes Beispiel dafür ist die Streit-Szene gegen Schluss. Während typische Hollywood-Filme nur einen Weg kennen – immer lauter, immer intensiver –, geht es in «Before Midnight» auf und ab. Die Stimmen heben und senken sich, auf Vorwürfe folgt Verständnis. Selbst im Streit malen Linklater, Hawke und Delpy gefühlvoll in Graustufen.
Ich weiss nicht, welcher Teil der Before-Trilogie mir am besten gefällt. Der Romantiker in mir bevorzugt «Before Sunset», der Realist «Before Midnight». Sehr sehenswert sind alle drei – vorzugsweise am Stück.