Apollo 10 1/2: Eine Kindheit im Weltraumzeitalter (2022)

Mit «Apollo 10 1/2» blickt der gefeierte Autorenfilmer Richard Linklater auf seine Kindheit zurück. Sein dritter Animationsfilm ist ein nostalgischer Blick auf eine Zeit, in der die Möglichkeiten endlos schienen. Zumindest für einen Zehnjährigen in Houston, Texas.

Wie der Titel suggeriert, dreht sich der Film um die Geschehnisse rund um die erste Mondlandung im Sommer 1969. Wussten Sie etwa, dass vor Neil Armstrong ein zehnjähriger Junge bereits den Erdtrabanten betreten hatte? Davon handelt «Apollo 10 1/2».

Wobei das Weltraumabenteuer nur ein Nebenschauplatz ist. Im Kern erzählt Filmemacher Linklater über sein Leben als jüngster Spross einer US-amerikanischen Mittelstandsfamilie in den Endsechzigern. Wie er darum kämpfen musste, was im TV läuft, wie er mit seinen Freunden Raketen – samt Insekten-Pilot – in den Himmel schoss, wie er seinem desinteressierten Kollegen «2001: Odyssee im Weltraum» erklärte, oder wie seine Schwester mit dem damals neuartigen Tastentelefon Melodien komponierte.

«Apollo 10 1/2» zelebriert das Kindsein.

Linklater bewegt sich erneut am Puls des Lebens und packt «Apollo 10 1/2» voll mit kleinen, auf den ersten Blick unwichtigen Details. Beim Zuschauen kamen mir Erinnerungen an meine eigene Kindheit hoch, auch wenn diese Jahrzehnte später und auf der anderen Seite des Atlantiks stattgefunden hat. Vielen Zuschauern dürfte es ähnlich gehen.

«Apollo 10 1/2» mit schönen Animationen

Um diese wohlige Nostalgie einzufangen, nutzt Linklater den Rotoskop-Animationsstil, den er zuvor bereits bei «Waking Life» und «A Scanner Darkly» eingesetzt hat. Dabei werden die Szenen erst gefilmt, dann Bild für Bild auf eine Glasscheibe projiziert und von einem Animator abgezeichnet. Fast zwei Jahre dauert die Umsetzung vom Real- zum Animationsfilm. Das Resultat ist angenehmer als bei den vorherigen Werken. Die Bilder sind ruhiger, kontrastreicher und wärmer, was perfekt zum nostalgischen Inhalt passt. 

Linklater hat «Apollo 10 1/2» unkonventionell aufgebaut. Der Film beginnt linear, wandelt sich aber kurz nach Beginn in eine traumähnliche Form, bei der von Szene zu Szene gesprungen wird. Das ist offensichtlich eine Re­mi­nis­zenz an «Walking Life», wobei der Filmemacher dieses Mal nicht für Kopfzerbrechen, sondern für eine angenehme Routine sorgt.

Kindheits-Nostalgie in Houston, Texas.

Wie in Linklaters Klassiker «Dazed and Confused», in dem er auf seine Teenie-Zeit zurückblickt, spielt auch hier der Soundtrack eine wichtige Rolle. Erst Stücke von Creedence Clearwater Revival, Canned Heat oder The Byrds machen das Retro-Erlebnis komplett. Höhepunkt ist der Pink Floyd-Klassiker Astronomy Domine, der sich perfekt in die Bilder der Mondlandung einfügt.

Linklater fasst die Stimmung, welche in den Vereinigten Staaten um die Mondlandung 1969 entstanden ist, wie auch seine Kindheit in Texas, hervorragend ein. Und doch nimmt die Romantik nicht überhand. Der Filmemacher zeigt alles, was ein Zehnjähriger in Texas durch Zeitungen, Fernsehen, Verwandte und Bekannte mitbekam: nicht nur Bauboom, Mondlandung und die erste Herztransplantation, sondern auch der Vietnamkrieg, der Kalte Krieg und Armut in den USA.

«Apollo 10 1/2» erzählt auf künstlerische und doch geerdete Weise eine Coming-of-Age-Geschichte und fängt dabei die Endsechziger perfekt ein. Das macht Linklaters neustes Werk nicht nur zu einem wunderschönen Familienfilm, sondern zu einem authentischen und detailverliebten Zeitdokument.

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